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Plakativ. Das Schild hat Diane Arapovic auch nicht geholfen – die Suche nach einer neuen Wohnung war nicht nur schwierig, sondern schlichtweg vergeblich. 

© RBB

Wohnungssuche in Berlin-Kreuzberg: Heimat – wegen Überfüllung geschlossen

Diane Arapovic wollte es wissen: Finde ich eine Wohnung in Kreuzberg? Was sie dabei erlebte, schilderte sie bei "Heimat gesucht" im Radio. Heute läuft der Film dazu im RBB.

Diane Arapovic sitzt auf einer Bank im Görlitzer Park und schaut in die Sonne. Vom Kinderbauernhof her dringen Kinderstimmen. Vor sechs Monaten hat Arapovics Suche nach einer Wohnung im Herzen von Kreuzberg begonnen. Einmal die Woche konnten ihr die Leser bei diesem Selbstversuch zuhören, „Heimat gesucht“ hieß ihre Sendung auf Radio Eins. Ist es noch möglich, rund um den Görli eine bezahlbare Wohnung zu finden? Das war die Frage. Nach einem halben Jahr ist Arapovics Antwort darauf: „Nein.“

Eine ernüchternde Erkenntnis. Das Rechercheprojekt trifft einen Nerv. In Berlin ist Wohnungssuche für viele ein dauerhafter Lebenszustand. „Jeder schaut doch ab und zu in die Immobilienanzeigen“, sagt Arapovic. Vor acht Jahren, als sie nach Berlin zog, hat es vier Tage gedauert bis die Traumwohnung gefunden war. Jetzt sind da ein Partner und ein Kind, aber keine größere Wohnung in Sicht.

„Ich habe mir gedacht, dass es schwer wird“, sagt sie. Aber dass sich gar nichts findet, hat sie doch überrascht. Aushänge, Inserate, Massenbesichtigungen und natürlich die wöchentliche Sendung im Radio – das alles hat nicht geholfen. „Dabei sind wir eigentlich ganz gut gestellt, eine Durchschnittsfamilie“, sagt Arapovic. Doch auch für die wird es eng.

"Eine größere Wohnung zu finden ist utopisch"

Da gibt es die Geschichte von den Bekannten, die die Wasserleitungen aus der Küche ins Wohnzimmer umgelegt haben, um aus der Küche ein Kinderzimmer zu machen. Oder die Familie, die jetzt wegzieht. Raus aus Berlin aufs Land. „Wir müssen uns mittelfristig auch so eine Exit-Strategie überlegen. Eine größere Wohnung zu finden ist utopisch“, sagt Arapovic.

Ihre Suche erzählt nicht nur von den Unmöglichkeiten des Berliner Wohnungsmarktes, sondern ist ein Drama über den Wandel des Mikrokosmos Kreuzberg. „Bei der Recherche ist mir klar geworden, was hier eigentlich passiert“, sagt Arapovic. Sie hat alle getroffen, die Akteure in diesem Spiel: den Immobilienmakler, die Hausbesetzer, die alten und neuen Kreuzberger, die Dealer, die Verdrängten. „Wir fanden den Ort so spannend, weil hier alle Probleme, die man in einer Großstadt haben kann, zusammenkommen“, sagt Arapovic.

Auf ihrer Reise durch ihre eigene Nachbarschaft hat sie der Filmemacher Volker Heise begleitet. Er ist Anfang der 1980er nach Kreuzberg gezogen und lebt heute noch dort. Auch für ihn hat sich durch dieses Langzeitprojekt die Sicht auf seine Stadt geändert. „Dieser Prozess, bei dem wir alle nicht wissen, wie wir uns dazu verhalten sollen, macht mich auch sentimental und traurig“, sagt er. Die ständige Veränderung von Stadt sei aber auch das Spannende daran. „Was woanders unter der Decke qualmt – in Kreuzberg bricht es aus“, sagt Heise. Für ihn ist der Film eine Quintessenz der Suche, sechs Monate Recherche im Zeitraffer.

Der Geist von Kreuzberg

Eine besondere Figur in diesem Drama um Kreuzberg ist Arapovics Friseurin, die wegen gestiegener Miete mit ihrem Geschäft wegziehen muss. Es sei wie beim Kegeln sagt sie, einer nach dem anderen fallen sie um. Sie habe das Gefühl umgezogen zu sein, ohne jemals die Koffer zu packen.

Doch es gibt auch kleine Lichtblicke. Der Protest der Anwohner gegen die Übernahme des türkischen Gemüseladens Bizim Bakkal und dem angrenzenden Wohnhaus durch einen griechischen Investor, ist so einer. „Da ist dann noch der Geist von Kreuzberg, dieser Protestwille. Einfach sagen: Jetzt werden wir aktiv“, sagt Arapovic.

Im Bezirk gibt es keine Antwort auf diese Probleme. Es wäre so einfach, der Politik den schwarzen Peter zuzuschieben, oder den Immobilienmaklern. Doch das tun Arapovic und Heise nicht. Sie sagt: „Als ich in einer Folge im Bezirk war, habe ich erst gemerkt, wie wenig Handlungsspielraum auch die haben.“ Und der Makler? Ist halt Geschäftsmann. Heise sagt es so: „Es gibt mehr oder weniger profitierende Opfer.“

"Meine Wohnungssuche wird nicht enden"

Für die, die eine neue Bleibe suchen, ist das ein schwacher Trost. „Ich kam ernüchtert aus dieser Suche heraus und mit dem Gedanken: O je, wir müssen uns wirklich was überlegen“, sagt Arapovic. Sieht die Zukunft Berlins also so aus wie die Gegenwart von London und Paris? „Wir hätten es besser machen können, wenn wir vor zehn Jahren die Weichen besser gestellt hätten“, sagt Arapovic. Mietpreisbremse und Förderung von Genossenschaften könnten Teil der Lösung sein. Doch der Druck, der auf dem Bezirk lastet, wird dadurch nicht verschwinden. Heimat: Wegen Überfüllung geschlossen.

„Meine Wohnungssuche wird nicht enden“, sagt Arapovic. Dann geht sie zurück durch den Park, vorbei an den Touris, den Dealern und und den Hundebesitzern, steigt auf ihr Rad und fährt los.

Der Film läuft am Dienstag um 21 Uhr im RBB.

Lesen Sie auch das große Tagesspiegel-Dossier Häuserkampf - wie private Ferienappartements und Immobilienunternehmen den Wohnungsmarkt dominieren, und wie ganz normale Berliner versuchen, sich dagegen zu wehren.

Pascale Müller

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