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Wohnungssuche: Unterwegs nach Hause

Jeder fünfte Haushalt in Berlin wechselt jährlich den Wohnort. Die passende Bleibe zu finden, wird jedoch immer schwieriger – und teuer.

Es ist kurz vor zwölf. Der Bürgersteig vor dem Haus in der Gryphiusstraße in Friedrichshain ist menschenleer, die große Altbauwohnung im ersten Stock bis auf eine junge Frau auch. Von den rund 100 Interessenten, die sich für diesen Samstagmittag zur Wohnungsbesichtigung angekündigt hatten, ist bisher keiner gekommen. „Kein Wunder“, sagt Katharina Felber, die als Noch-Mieterin am Küchentisch auf Besucher wartet. „Wir mussten allen Interessenten gestern Abend per E-Mail mitteilen, dass der Vermieter die Kaltmiete um 200 Euro anheben wird.“ Die Erhöhung entspricht rund einem Drittel des bisherigen Betrags: Anstatt 615 Euro müssen die neuen Mieter nun 815 Euro Kaltmiete für die drei Zimmer zahlen – inklusive aller Kosten weit über 1100 Euro pro Monat. „Da kommt natürlich niemand mehr, der nicht gut verdient“, so Felber.

Andere wiederum können einen vierstelligen Betrag für mehr als 100 Quadratmeter Wohnfläche zwar aufbringen, suchen aber trotzdem seit Monaten erfolglos. Zu ihnen gehört Steffi Leupold, die mit ihrer Familie eine neue Wohnung rund um den Arkonaplatz in Mitte oder im Winsviertel in Prenzlauer Berg sucht, denn dort gehen die beiden Kinder zur Schule. Die 35-Jährige ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, ihr Freund ist Arzt – zehn Euro Warmmiete pro Quadratmeter sind für die Familie bezahlbar. „Trotzdem finden wir nichts Entsprechendes – zu dunkel, zu klein, zu laut, schlecht geschnitten oder in einem desaströsen Zustand war alles, was wir bisher gesehen haben“, erzählt Leupold. Nun hat sie zum wiederholten Mal Zettel mit ihrem Gesuch an Straßenlaternen im Kiez aufgehängt. Darauf, womit immer mehr solcher Flyer locken – nämlich eine Belohnung von mehreren hundert Euro für eine erfolgreiche Vermittlung auszuschreiben – hat Leupold allerdings bisher verzichtet.

Tatsächlich wissen viele Suchende, dass es attraktive Wohnungen in beliebten, citynahen Stadtteilen nur noch selten bis auf die Immobilienseiten der Zeitungen oder auf die einschlägigen Internetportale schaffen. Das bestätigt auch Andreas Habath, stellvertretender Vorstandsvorsitzender beim Immobilienverband Deutschland, Region Berlin-Brandenburg: „Schöne Wohnungen für fünf Euro den Quadratmeter gehen fast nur noch unter der Hand weg“, sagt der 34-Jährige. Manche Wohnungen wechseln daher über Tausch den Mieter. Auch Kecia Holtzendorff ist so fündig geworden – im eigenen Haus, bei einem Gespräch im Treppenhaus. Nun wohnt die 39-Jährige mit ihrem Sohn und Freund auf über 90, die Nachbarin nur noch auf rund 60 Quadratmetern. „Schwierig war nur der Umzug, weil keine der beiden Wohnungen zu irgendeinem Zeitpunkt leer war“, erzählt Holtzendorff, erleichtert über die ansonsten unkomplizierte Wohnungssuche.

Oft haben es gerade Alleinerziehende mit kleinen Kindern schwer, eine neue Bleibe zu finden, das geht auch aus einer aktuellen repräsentativen Umfrage unter deutschen Vermietern hervor: Sie vermieten am liebsten an kinderlose Paare. Die Suche der Alleinerziehenden wird dadurch erschwert, dass man den Kindern nur ungern einen Kita- oder Schulwechsel zumuten möchte und daher ortsgebunden sucht. Darüber hinaus gibt es vor allem in den innenstadtnahen Bezirken immer weniger kleine Mietwohnungen – eine Tendenz, die sich nach Meinung von Experten noch deutlich verstärken wird. Noch schwieriger kann es werden, wenn man keinen deutschen Familiennamen trägt: Martha L. ist Mutter eines sechsjährigen Sohnes und stammt aus Äthiopien, sie sucht eine bezahlbare kleine Wohnung im Kreuzberger Graefekiez. Schon mehrfach wurde sie wegen ihres ausländisch klingenden Nachnamens am Telefon von Vermietern abgewiesen. „Die meisten wollten sofort wissen, ob ich Türkin sei“, erzählt die 30-Jährige in perfektem Deutsch.

Studenten, die ein WG-Zimmer suchen, treffen auf andere Probleme. Der italienische Austauschstudent Giovanni Zanotti war in den letzten zwei Monaten schon bei mehr als 30 WG-Besichtigungen – bisher erfolglos. „Bei diesen kollektiven Castings gilt es, sich möglichst perfekt zu verkaufen“, sagt der 23-Jährige. Dabei interessieren sich die WG-Bewohner für all das, was ein normaler Vermieter per Gesetz gar nicht erfragen darf: Religionszugehörigkeit, Lebenswandel, ja sogar bestehende Krankheiten oder eine mögliche Schwangerschaft. „Außerdem legen viele die tatsächliche Miethöhe gar nicht offen, und so kann es sein, dass der mit dem kleinsten Zimmer den größten Anteil an der Miete trägt“, so Zanotti. Auf die Schufa-Selbstauskunft, Einkommensnachweise und den Nachweis der Mietschuldenfreiheit durch den Vorvermieter verzichten WG-Bewohner meist noch. Bei normalen Wohnungsvermietungen ist es mittlerweile üblich, dies alles vorzulegen – am besten sofort am Besichtigungstag. Doch wer glaubt, einwandfreie Papiere reichten aus, irrt: „Wir rufen natürlich beim Vorvermieter an und erkundigen uns genau über das Mietverhalten des Wohnungsanwärters“, erzählt eine Hausverwalterin mit Objekten in Charlottenburg und Mitte, in denen zehn, zum Teil sogar 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verlangt werden – bei jeder Neuvermietung mehr.

Was also können Wohnungssuchende tun, solange es die vom Berliner Mieterverein geforderte Mietpreisbegrenzung bei Neuvermietung nicht gibt? „Zur Not in den Außenbezirken suchen oder auch im Wunschbezirk – denn auch Mitte ist nicht gleich Mitte. Am Alex oder an der Leipziger Straße kann man auch für relativ wenig Geld noch toll wohnen“, sagt Makler Habath. Darüber hinaus lohnt es sich, soziale Netzwerke anzuzapfen und bei Wohnungsbaugesellschaften nachzufragen. Und wer über einen Wohnberechtigungsschein verfügt, hat sogar in absoluten Toplagen wie im Kollwitzkiez Chancen: Die Mieterberatung am Helmholtzplatz vermittelt preiswerte, öffentlich geförderte Wohnungen - allerdings sind die Wartelisten lang. Glück kann haben, wer außerhalb der Stoßzeiten sucht – vor allem nicht gerade zu Semesterbeginn. Übrigens wollen kurz vor Weihnachten die wenigsten umziehen – Makler bezeichnen daher die Adventszeit als „Geheimtipp für die Wohnungssuche“.

 Eva Kalwa

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