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Berlin: Wolfgang Branoner im Interview: Bei den Existenzgründern ist Berlin schon Spitze

Wolfgang Branoner (45) ist seit 1998 Wirtschaftssenator. Seine berufliche Laufbahn begann der Diplom-Kameralist (Finanzwissenschaften) 1980 beim Senator für Bau- und Wohnungswesen.

Wolfgang Branoner (45) ist seit 1998 Wirtschaftssenator. Seine berufliche Laufbahn begann der Diplom-Kameralist (Finanzwissenschaften) 1980 beim Senator für Bau- und Wohnungswesen. Von 1985 bis 1991 war der CDU-Politiker Neuköllner Bezirksstadtrat für Bau- und Wohnungswesen. Er arbeitete bis 1995 als Staatssekretär der Stadtentwicklungsverwaltung, bis er als Staatssekretär in die Wirtschaftsverwaltung wechselte.

Herr Branoner, können Sie bei einer Arbeitslosenquote von mehr als 16 Prozent in Berlin noch gut schlafen?

Wir haben eine Quote von 16,2 Prozent. Der Wert ist Ausdruck einer früher falsch entwickelten Infrastruktur. Seit ein paar Monaten nimmt die Arbeitslosigkeit weniger zu. Das ist letztlich ein Erfolg der Wirtschaftspolitik. Die extrem hohe Arbeitslosigkeit von 44 Prozent in der Baubranche schlägt natürlich auf die Quote nieder. Insgesamt ist der Beschäftigungsabbau zum Stillstand gekommen. Die Zahl der Erwerbstätigen ist von 1,53 Millionen 1999 auf 1,54 Millionen im Jahr 2000 gestiegen, das sind 0,5 Prozent Steigerung.

Wo sind neue Arbeitsplätze entstanden?

Vor allem im Dienstleistungsbereich, drei Viertel davon in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Auch die Selbstständigenquote hat sich seit 1991 mehr als verdoppelt und liegt jetzt bei 10,4 Prozent. Damit liegen wir in Berlin sogar über dem Bundesdurchschnitt. Statistisch betrachtet, schafft jeder Existenzgründer in den ersten fünf Jahren fünf neue Arbeitsplätze. Wir haben 70 000 Unternehmen in den letzten zehn Jahren in Berlin bekommen. Das macht doch deutlich, wie vital der Arbeitsmarkt ist ...

In der Baubranche spricht man angesichts der schlechten Lage ironisch von einer Sonderkonjunktur. Wie stärken Sie den Mittelstand, um Arbeitsplätze zu erhalten?

80 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse und zwei Drittel aller Arbeitsplätze bietet der Mittelstand an. Es gibt in der Mittelstandspolitik drei Säulen. Erstens Bestandspflege, zum Beispiel durch Wirtschaftsdialoge vor Ort, zweitens Akquisition neuer Unternehmen, drittens die Existenzgründungsförderung.

Was die Akquisition betrifft, hat Berlin gute Noten. Die Stadt gilt aber nicht als besonders unternehmerfreundlich. Im bundesweiten Ranking liegt Berlin an elfter Stelle. Wie locken Sie Unternehmen hierher? Mit Geld?

Konzerne wie Bombardier verlegen ihre Zentrale von Brüssel nach Berlin, weil Berlin das Tor zu Osteuropa ist. Für Unternehmen haben wir außerdem ein Business Welcome Package entwickelt, mit dem sie drei Monate lang Büros, Wohnungen oder auch BVG-Tickets günstig erhalten. Allerdings: Bei der ursprünglich geplanten SAP-Ansiedlung hätte ich mir mehr Flexibilität beim Bebauungsplan von Seiten der Baubehörde gewünscht.

In so einer Art und Weise kann man mit Unternehmen nicht umgehen. Nachteilig für Berlin ist die verkehrliche Erschließung. Allerdings gibt es hier zwei positive Signale: Der Großflughafen wird gebaut, aber das muss so schnell wie möglich sein. Und die Non-Stop-Flugverbindung in die USA nach Washington gibt es zum Glück seit kurzem ...

Haben Sie Deutschlands größtem Musikverlag Universal Music den Umzug von Hamburg nach Berlin mit Fördergeldern schmackhaft gemacht? In Hamburg spricht man von 40 Millionen Mark.

Das ist kompletter Unsinn. Wir haben keine 40 Millionen Mark EU-Mittel dafür verwendet. Es werden ausschließlich Investitionszuschüsse nach den Richtlinien der Gemeinschaftsaufgabe Förderung der regionalen Wirtschaft durch EU, Bund und Land fließen. Ein dezidierter Antrag liegt aber noch gar nicht vor. Universal hat Berlin als trendige Stadt erkannt: 160 Clubs, viele junge Leute, Ost-West-Erfahrung. Außerdem liegt Berlin 80 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, und wir stehen zwei Jahre vor der EU-Osterweiterung. Universal kommt mit 500 Leuten nach Berlin. Es geht aber auch um die Sogwirkung: Ein Arbeitsplatz bei Universal zieht drei bis vier weitere nach sich. Berlin wird zur Musik-Hauptstadt mit Sony, BMG und Universal.

Der Hamburger Senat ist verärgert. Reist der Berliner Senat zur gemeinsamen Sitzung mit den Hamburger Kollegen Mitte Mai in die Hansestadt, um die Wogen zu glätten?

Die gemeinsame Kabinettsitzung war schon weit früher anberaumt. Wir stehen im Wettbewerb miteinander. Hamburg war lange Jahre die führende Verlags- und Musikstadt und muss jetzt erkennen, dass sich die Zeiten ändern. Das haben wir in Berlin auch schon schmerzlich erlebt. Wir haben nach der Wende 275 000 unserer 400 000 Industriearbeitsplätze verloren.

Ein anderer Wirtschaftsfaktor ist die landeseigene Messe Berlin. Fünf Aufsichtsratsmitglieder sind abgesprungen,wie erklären Sie sich das?

Diese Aufsichtsratsmitglieder haben gemeinsam mit der Geschäftsführung ein Konzept entwickelt, damit sich die Messe von Zuschüssen aus dem Landeshaushalt besser abkoppeln kann. Das war eine Koalitionsvorgabe. Dann kam aber bei der SPD der Umschwung. Das Land solle doch noch Verantwortung behalten. Das Konzept sieht vor, Investitionen von zwei Milliarden Mark, davon auf dem Messegelände 300 Millionen Mark und zwischen 1,5 und 1,7 Milliarden Mark außerhalb des Messegeländes, durch private Investoren aufzubringen. Dieses Geld kann die Messe nicht aus eigenen Kräften aufnehmen.

In Abkehrung früherer Vereinbarungen übernimmt das Land eine Bürgschaft für den Fall, dass das eigene Sicherungspotenzial bei der Messe aufgebraucht ist. Wegen der erneuten staatlichen Abhängigkeit ging ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder. Wir wollen aber die ursprünglichen Absichten nicht aus den Augen verlieren und in der Zukunft eigenständig wirtschaftlich werden. Die Messe bringt jährliche Steuereinnahmen von 180 Millionen Mark netto. Außerdem planen wir neue Angebote...

Neue Angebote?

Messen können 365 Tage im Jahr stattfinden, und zwar im Internet. Wir werden einen Teil der Messekapazität ins Internet stellen und virtuelle Messen organisieren.

Der Berliner Haushalt hat ein Milliardendefizit. Ende Mai muss ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden. Wie weit ist die Wirtschaftsförderung von der Haushaltssperre betroffen? Werden Fördermittel ausgezahlt?

Der Finanzsenator hat meiner Bitte entsprochen, dass wir 50 Prozent der Fördermittel ausreichen dürfen. Viele Anträge wurden vor der Haushaltssperre gestellt. Der Wirtschaftsetat ist sowieso atypisch: Bei einem Umfang von zwei Milliarden Mark ist er nur mit disponiblen Landesmitteln über 170 Millionen Mark ausgestattet. Alle anderen Mittel fließen aus EU- und Bundestöpfen. Jede Mark, die ich aus Landesmitteln einspare, bedeutet, dass zwischen fünf und acht Mark aus den anderen Töpfen nicht eingesetzt werden können.

Was heißt das konkret? Bleiben Förderanträge liegen?

Wir versuchen, die Förderprogramme zu mixen. Für den Investor spielt es keine Rolle, woher er das Geld bekommt. Allerdings: Wir können zurzeit teilweise Bewilligungen nicht aussprechen. Die 50-Prozent-Marke ist nämlich weitestgehend erreicht.

Herr Branoner[können Sie bei einer Arbeitslo]

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