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Modedesigner Wolfgang Joop: "In diesem Moment kam mir alles so renoviert, so blank vor."

© dpa

Wolfgang Joop übt Kritik an Potsdam: Plötzlich ist überall Sylt

Modemacher Joop hadert mit seiner Heimatstadt Potsdam. Unter anderem kritisiert er das "neupreußische" Flair der Stadt, zu dessen Aufbau er ein Stück weit mit beigetragen hat.

Modeschöpfer Wolfgang Joop hadert mit seiner Heimatstadt. Einen Berlin-Umzug seines Labels „Wunderkind“, das er wieder komplett übernehmen wird, hat Joop zwar ad acta gelegt. Doch für sein geliebtes Potsdam findet der 66-Jährige neuerdings harsche Worte. Er würde, sagte Joop in einem Interview der aktuellen Ausgabe des Magazins „GQ“, am liebsten wieder nach New York ziehen. Denn in Potsdam sei „plötzlich überall Sylt ausgebrochen“.

Das habe er nach seiner Rückkehr von der letzten Modenschau aus Paris bemerkt: „In diesem Moment kam mir alles so renoviert, so blank vor.“ Und weiter: „Die Ex-Ossi-Frauen, die bisher die Farben der Reichskriegsflagge Schwarz- Weiß-Rot ins Haupthaar gefärbt hatten, bewegten sich plötzlich naturblond in Barbour-Jacken und luden Säcke von Biogemüse und kistenweise Jakobsmuscheln vom neuen Fischstand auf dem Markt in ihre Hybrid-Toyota-Vans, in denen hinten blonde Kinder warteten.“ Joop, dessen Familie ihren Sitz in Bornstedt hat und der selbst in der „Villa Wunderkind“ – der ehemaligen britischen Militärmission – am Heiligen See wohnt, haben diese Beobachtungen offensichtlich getroffen. In diesem Potsdam fühle er sich nicht mehr zu Hause: „Mir ist meine Romantik verloren gegangen.“ Dass er zum „Neupreußischen“ beigetragen haben könnte, indem auch er Villen in der Berliner Vorstadt sanierte, gab Joop ganz offen zu. Allerdings sei seine Motivation eine andere gewesen: „Ich wollte nur den Ort meiner Kindheit wiederfinden, aber ich habe ihn vielleicht auch selbst zerstört.“ Für ihn sei Potsdam, sei Sanssouci wie ein Dornröschen gewesen, bei dem „ich mich ein Leben lang fragte, wann es aufwachen wird“. Nun ist es offensichtlich so weit. Joop: „Aber wer hätte gedacht, dass es so perfekt geschminkt erwachen würde.“

Joops Empfindungen haben offensichtlich auch mit dem Tod seiner Mutter Charlotte zu tun, die vor rund einem Jahr in Potsdam gestorben war und auf dem Bornstedter Friedhof beigesetzt wurde. „Mit meiner Mutter habe ich die letzte Zeugin vom alten Potsdam verloren“, sagt er. Früher sei er als Kind allein aus Braunschweig, der West-Wahlheimat seiner Eltern, mit dem Zug nach Potsdam gefahren, um Weihnachten in Bornstedt zu verbringen. „Da wurde ich von DDR- Grenzpolizistinnen jedes Mal auf den Zugtoiletten ausgezogen und durchsucht. Aber ich durfte hin.“

Joops Beziehung zu seiner Geburtsstadt gilt seit jeher als kompliziert. Der Modeschöpfer mahnte oft, ästhetische Grundsätze zu achten: „Hier in Potsdam haben wir eine Verpflichtung der Schönheit gegenüber.“ Er beklagte die bonbonfarbenen Fassaden restaurierter Häuser und bezeichnete den Neubau eines seiner Nachbarn als „ibizenkische Riesentoilette“. Für den Wiederaufbau des Stadtschlosses setzte Joop sich ein wie für die Garnisonkirche. Den Glauben an sein Potsdam hatte Joop einst auch schon mal in Worte gekleidet: „Diese Schönheit hat Moden und politische Systeme überdauert und ist schöner als irgendein zukünftiger Reichtum“, sagte Joop, als er sich vor sechs Jahren ins Goldene Buch der Stadt eintrug.

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