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Berlin: World Air Games: Sprung aus den Wolken

Dieser Tage packte Peter Pfalzgraf nicht nur die Koffer, sondern auch seinen Fallschirm. Der 48-jährige Schöneberger leitet das Team "Fast Forward", so nennt sich die vor knapp zwei Jahren neu formierte, achtköpfige Nationalmannschaft im Kappenformationsspringen.

Dieser Tage packte Peter Pfalzgraf nicht nur die Koffer, sondern auch seinen Fallschirm. Der 48-jährige Schöneberger leitet das Team "Fast Forward", so nennt sich die vor knapp zwei Jahren neu formierte, achtköpfige Nationalmannschaft im Kappenformationsspringen. Bei den 2. World Air Games, die im spanischen Granada begonnen haben, kann sich die Truppe um den Berliner Ingenieur berechtigte Hoffnungen auf eine Bronzemedaille machen.

Es begann mit dem "Sprung aus den Wolken". Die amerikanische Fernsehserie um den späteren Western-Kauz Ken Curtis faszinierte Anfang der 60er Jahre die Kinder in Deutschland zu einer Zeit, als der Fallschirmsport hierzulande noch als exotisches Hobby einer kleinen Gruppe potenzieller Selbstmordkandidaten galt.

Den jungen Studenten ließen die Bilder nicht mehr los. Als er 1978 an der Technischen Universität von einem entsprechenden Sportprogramm hörte, belegte Pfalzgraf zusammen mit einem Freund einen einwöchigen Ferienkurs. Von der Praxis begeistert, wurde er prompt Mitglied eines Vereins, auch wenn die eingemauerten West-Berliner wegen der alliierten Bestimmungen für jeden Luftsprung ins damalige Bundesgebiet fahren mussten.

Bereits 1981 schaffte Peter Pfalzgraf den Sprung ins Nationalteam, absolvierte ein Jahr später seinen ersten Weltcup. Die Zahl seiner deutschen Meistertitel kennt der Ingenieur, der sich hauptberuflich mit Lüftungsanlagen beschäftigt, nicht. Irgendwann hat er aufgehört zu zählen.

Bisher größter Erfolg war der dritte Platz bei der Weltmeisterschaft 1998. Dem heutigen Team gehören mit Thomas Rohde-Seelbinder, Matthias Lenz und Andreas Jankowsky, dessen Ehefrau Marion als Ersatzspringerin fungiert, auch drei Berliner Vereinskameraden aus der FSG Berlin/Gransee an.

Nach einem Jahr harten Trainings hatten sie sich im September letzten Jahres als Nationalmannschaft qualifiziert. Bei der Kappenformation bilden die Springer die vorgeschriebenen Figuren nicht im freien Fall, sondern mit geöffneten Schirmen. Die vier Formationen Wedge, Box, Kite und Plane werden jeweils zweimal geflogen. Gewertet wird für die sieben besten Versuche die Zeit vom Sprung aus dem Flugzeug bis zur Bildung der Figur, die für mindestens fünf Sekunden bestehen muss. Mit einem Durchschnittswert von 48 Sekunden liegt "Fast Forward" dabei gut im Rennen. Beim Abschlusstraining im Mai schaffte die Truppe um Peter Pfalzgraf in der Disziplin "Plane", bei der alle Springer mit ihren Schirmen übereinander gestapelt werden, die deutsche Bestzeit von 35 Sekunden.

Dokumentiert werden die Ergebnisse jeweils von einem mitspringenden Kameramann. "In der Regel sind wir in 2000 Metern fertig und lösen uns spätestens in 1500 Metern Höhe wieder auf", sagt der Schöneberger. Mit einem Tempo von rund drei Metern pro Sekunde schweben sie dabei eher langsam dem Boden entgegen.

Fürchten müssen die Deutschen in Spanien nur die Franzosen und die Russen, die mit professionellen Teams an den Start gehen, die wesentlich mehr Zeit zum Training haben. "Da haben wir nur eine Chance, wenn sie zwei Sprünge vermasseln", sagt Pfalzgraf.

Längst können die Berliner den Sprung aus den Wolken vor den Toren der Stadt wagen. In Gransee (Landkreis Oberhavel) ist ein eigenes Leistungszentrum entstanden. Um Flugplatz und Absetzmaschine zu finanzieren, wurde die Ausbildung über eine Firma kommerzialisiert und vom Vereinssport getrennt.

Und längst hat sich das Fallschirmspringen vom Exoten zum Trend gemausert. Zum Tandem-"Schnuppersprung", den Laien für 340 Mark - festgeschnallt an einen Profi - absolvieren können, rollen inzwischen ganze Busladungen heran. Ein einwöchiger Anfängerkurs ist bereits ab etwa 1000 Mark zu haben. Vereinsmitglieder zahlen 300 Mark Jahresbeitrag und 32 Mark pro Sprung.

Doch trotz der großen Nachfrage ist der sportliche Nachwuchs eher gering. "Viele bleiben nur ein paar Jahre dabei und suchen sich dann wieder ein anderes Hobby", sagt Peter Pfalzgraf.

Rainer W. During

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