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Berlin: Wowereit kam, sah – und hat auch kein Allheilmittel

Der Regierende Bürgermeister auf Tour durchs Neuköllner Rollbergviertel. Dem Problemkiez versprach er jetzt mehr Geld für Sprachkurse

Von Sabine Beikler

Hans-Günter Migge sitzt mit ein paar Bekannten vor einem Kiosk. „Det is alles vorher uffgeräumt worden, weil der Wowereit kommt“, schimpft einer der Herren, als er Klaus Wowereit sieht. „Guten Tag auch“, grüßt der Regierende Bürgermeister auf seiner Besuchertour am Mittwoch durch den Neuköllner Problemkiez Rollbergviertel freundlich und nimmt dem missmutigen Neuköllner damit den Wind aus den Segeln. Migge, 79 Jahre, Rentner, fasst sich ein Herz und fragt Wowereit, ob er „mal sehen will, wie es hier wirklich aussieht“.

Das Rollbergviertel zwischen Karl-Marx-Straße und Hermannstraße ist ein Problemkiez mit einer Arbeitslosenquote von 40 Prozent, einem Ausländeranteil von 50 Prozent unter 5600 Einwohnern und einem durchschnittlichen Monatsnetto von unter 700 Euro. Wowereit will auf seiner Tour für das Quartiersmanagement werben und sich über Kiezprojekte informieren. 2,8 Millionen Euro flossen in den vergangenen drei Jahren aus dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ in das Quartiersmanagement des Rollbergviertels.

Klaus Wowereit begleitet also spontan Hans-Günter Migge und verschwindet mit ihm in der Falkstraße 24, Aufgang West II, 1. Treppe links. Im Wohnzimmer schauen sie aus dem Fenster auf das große Vordach: Papier, Flaschen und jede Menge Unrat. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land verspricht, den Müll „gleich morgen“ zu beseitigen. Rentner Migge, der seit 1977 im Rollbergviertel wohnt, ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Seit 18 Jahren lebt Ursula Bartel im Viertel. „Wir brauchen hier Arbeitsplätze, damit die Leute wieder ein Selbstwertgefühl bekommen“, sagt die Hausherrin des Gemeinschaftshauses in der Morusstraße. Seit drei Jahren kochen in dem Nachbarschaftstreff jeden Mittwoch Bürger für Bürger. Ein Dreigänge-Menü kostet drei Euro. Auch Wowereit besucht den Treff, isst Waldpilzsuppe, einen „Rollberger Teller“ mit Couscous, Falafel, Börek, afrikanischem Hühnchen und serviert anschließend. Er verspricht, noch 2005 mit Alfred Biolek vorbeizukommen und für die Rollberger zu kochen.

Nächste Station ist der Treff „MaDonna“ für arabisch- und türkischstämmige Mädchen. Leiterin Gabriele Heinemann erzählt, viele Brüder würden hier ihre Schwestern kontrollieren. Sie hat den Treff 1981 gegründet und sieht den Kiez trotz des guten Quartiersmanagements umkippen: „Die Klientel ändert sich, es wird für die jungen Frauen unangenehmer, wenn sie kein Kopftuch tragen oder noch nicht verheiratet sind.“ Heinemann fordert mehr Unterstützung für Sprachförderprogramme. Das verspricht der Regierende – seine Bilanz bleibt eher allgemein: „Es gibt in dem Viertel eine große Bandbreite und unterschiedliche Facetten, was die Probleme betrifft“. Ein Allheilmittel hat er auch nicht zu bieten.

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