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Berlin: Wowereit musste vor dem Werkstor bleiben

Geschäftsführer schloss Rekorder-Fabrik JVC, um Betriebsversammlung mit Politikern zu verhindern

Die Geschäftsführung des von der Schließung bedrohten JVC-Werkes in Reinickendorf hat am Freitag eine Betriebsversammlung mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) verhindert. Nachdem das Management den Beschäftigten einen bezahlten zwangsfreien Tag verordnet und das Werkstor geschlossen hatte, wurde die Versammlung auf die Straße verlegt. „Wir sind an einem Tiefpunkt angelangt“, sagte Wowereit vor rund 150 Mitarbeitern. Der Geschäftsführer habe die Polizei angefordert, um ein Gespräch mit der Belegschaft im Werk zu verhindern.

Auch Bezirksbürgermeisterin Wanjura sprach anschließend von „einem völligen Unding“. Die Geschäftsleitung habe „alle Angebote von IG Metall, Senat und Bezirk sofort abgelehnt“. Nun seien die rund 230 Arbeitsplätze nicht mehr zu retten.

JVC-Geschäftsführer Rudolf Kumpera sagte, er habe am Mittwoch von Wowereits Besuchsplan erfahren und dem Regierungschef geschrieben, dass er unerwünscht sei. Er habe „prinzipielle Bedenken, dass Politiker bei uns einseitige Statements abgeben“ und das Tor geschlossen, um „Blockadeszenen“ zu verhindern.

Nach Auskunft des JVC-Betriebsrates macht lediglich eine lückenhafte EU-Zollvorschrift die in Reinickendorf gefertigten DVD-Rekorder und Kameras teurer als gleiche Produkte aus asiatischen Werken. Das habe anfangs auch das Management bestätigt. Der Senat hat sich um eine Änderung der Vorschrift bemüht – bisher vergeblich. Kumpera erklärte dagegen, die Berliner Geräte wären auch zollbereinigt 17 Euro teurer als solche aus Fernost. Dem Betriebsrat warf er Verzögerungstaktik vor: Da man seit 2. Dezember ergebnislos verhandele, gehe es dem Betriebsrat offenbar nicht mehr um die Rettung der Arbeitsplätze, sondern „um die Kohle für die Sozialplanzahlungen“. Das Werk soll zum Monatsende geschlossen werden.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei/PDS) sprach gestern von einer „Verwilderung der Sitten“. Dagegen warf FDP-Fraktionschef Martin Lindner Wowereit und Wanjura „Populismus und Wichtigtuerei“ vor. Stephan Tromp, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU, sprach von „unqualifizierten Ausführungen Wowereits“ im Stile „eines Tempelhofer Juso-Ortsvorsitzenden“ – und fiel damit nebenbei seiner Parteifreundin Wanjura in den Rücken. Die Bürgermeisterin sagte, ihre Verwaltung erfasse zurzeit die Qualifikationen der Betroffenen, damit man „dem einen oder anderen eine Perspektive geben kann“.

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