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Klaus Wowereit mit Partyveranstalter Schmidt. Die Berliner Politik ist gespalten über den Besuch Wowereits auf Schmidts Finca in Spanien.

© dpa (Archivbild von 2005)

Wowereits Finca-Besuch: Manfred Schmidt: Kommunikator mit exzellenten Kontakten

Seine Partys und Medientreffs sind durch die Wulff-Affäre ins Gerede geraten und stehen nun durch Klaus Wowereits Finca-Besuch in der Kritik. Dabei gehört Manfred Schmidt zu den Erfindern der Eventbranche.

Den Ausdruck Partykönig hat er immer gehasst. Manfred Schmidt sieht sich lieber als Kommunikator. Auf jeden Fall gehört er zu den Pionieren der Eventbranche. Was ihm einst zum Vorteil gereichte, seine exzellenten Kontakte in die Politik, hat sich nun als unternehmerisches Risiko erwiesen, da er in der Schlacht um den letzten Bundespräsidenten selber zwischen die Fronten geraten ist.

Seit etwa Mitte der 90er Jahre organisiert der 63-Jährige in Berlin öffentlichkeitswirksame Ereignisse. In der jungen Berliner Republik formierten sich neue gesellschaftliche Strukturen. Die gemütlichen Empfänge der Landesvertretungen, die in Bonn noch eine wichtige gesellschaftliche Rolle abseits offizieller Konferenztische gespielt hatten, reichten längst nicht mehr aus für die rasant gewachsenen Kennenlern- und Networking-Bedürfnisse.

Plötzlich boomte die Eventbranche. Im Auftrag von großen Unternehmen organisierte er zunächst Medientreffs, Arbeitspartys, bei denen Reden verboten waren, auch für Sponsoren. Schmidt legte Wert darauf, dass seine Gäste sich kennenlernten und sich gezielt Gesprächspartner suchen konnten. Er beschäftigte ein Team von immer etwas gestresst wirkenden Mitarbeitern, die mit Headsets ausgestattet waren und die Aufgabe hatten, Gäste, die dies wünschten, mit anderen Gästen bekannt zu machen. Öfter gab es am Eingang Gästelisten, auf denen man nachschauen konnte, wer so da war.

Im Auftrag von großen Unternehmen wie Reemtsma oder T-Online organisierte er Partys zum Beispiel zur Funkausstellung. Mal fanden sie im Grand Hotel Esplanade statt, mal im Adlon, mal im Interconti. Niemand dachte sich Böses dabei. Als die Berliner Republik noch jung war, vertieften vielbeschäftigte Hauptstadtprotagonisten wie Klaus Wowereit und Sabine Christiansen auch bei den Medientreffs ihre Freundschaft. Ob Jürgen Trittin, Gregor Gysi, Reiner Calmund, Laurenz Meyer, Guido Westerwelle, Friedbert Pflüger oder Botschafter wichtiger Länder – viele besuchten über die Jahre Veranstaltungen, bei denen sie nicht nur Unternehmer und Lobbyisten trafen, sondern auch prominente Talkshow-Gastgeber, Intendanten und Chefredakteure. Schmidt-Partys wirkten zeitweise wie eine Art Wanderkneipe für die Meinungsführer.

In den letzten Jahren, vor allem nach der Finanzkrise, war Schmidt nicht mehr so oft in Berlin mit großen öffentlichkeitswirksamen Events präsent. Das lag auch daran, dass die alten Auftraggeber ihre Partys lieber kostengünstig in Eigenregie organisierten, nachdem sie einmal über die Gästelisten und das Knowhow verfügten. Der Event-Unternehmer musste sich neue Geschäftsfelder suchen, wie zum Beispiel den Nord-Süd-Dialog oder Partys in Schanghai. Angefangen hat der Lehrersohn aus der Lüneburger Heide als Sozialarbeiter, inspiriert von einem Pfarrer, der ihn auf Hausbesuche zu Behinderten mitnahm. Anfang der 70er Jahre arbeitete er frei beim WDR in Köln. Die Künstlerpartys, die er in seiner Wohnung gab, waren so beliebt, dass die damalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger ihren 60. Geburtstag bei Schmidt feiern wollte.

Das war der Anfang. Bald beschränkte sich Schmidt nicht mehr auf die Medientreffs in Berlin, Hamburg, Düsseldorf oder Frankfurt, sondern organisierte in seiner Finca nördlich von Barcelona Zusammenkünfte für Leute, die, wie er mal geheimnisvoll sagte, „richtig prominent sind“. Von der Finca erzählte er am Rande der Medientreffs manchmal, freilich meist im Zusammenhang mit den Networking-Chancen, die sich dort ergäben. Nach Ferien klang das eher nicht. Auch die Residenz am Brandenburger Tor ist dem diskreten Networking abseits des Rampenlichts vorbehalten, wo Fotografen und Gesellschaftsreporter keinen Zutritt haben.

In dieser Branche sind gute, persönliche Kontakte essenziell. Zwar wissen alle Event-Veranstalter von Leuten zu berichten, die ebenso dringend wie vergeblich auf die Gästeliste wollen, was auch Neid und Missgunst weckt. Um die wichtigen Gäste wird freilich gekämpft. Dass solche Partys dem reinen Vergnügen dienen, ist aber durchaus ein Irrglaube. Der Gratis-Sekt oder die kostenlosen Häppchen dürften für diesen Kreis allein sicher kein ausreichender Anreiz sein, kostbare Zeit zu opfern. Die Aussicht auf neue Kontakte ist da schon attraktiver. Den Ruf, hochkarätige Gästelisten zu bieten, hat Schmidt sich stets neu erarbeitet. Um auf dem Laufenden zu sein, wer wichtig genug ist, um dabei zu sein, studiert er in seiner spanischen Unternehmenszentrale in Barcelona Wirtschaftszeitungen und Branchendienste.

Für Eventmanagement gibt es inzwischen eigene Studiengänge. Dass die von Schmidt miterfundene Branche im Strudel der Wulff-Affäre untergeht, ist wohl nicht zu erwarten. Wenn auf nichts sonst, dürften sich mindestens die Spitzenpolitiker der Parteien darauf leicht einigen können.

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