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Berlin: Wünsch dir was!

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Ziele erreicht man nicht nach dem Motto: Wünsch dir was. Jeder weiß es. Von Politikern erwartet unsereiner alles Mögliche – Überzeugungen, Ideen, vernünftige Entscheidungen. Doch was sollen wir von Politikern halten, die sich immerfort etwas wünschen? Besonders bei Politikerinnen fällt das vielstimmige Wunschkonzert auf.

„Ich wünsche mir immer, dass ganz viele Bürgerinnen und Bürger hier vor Ort kommen, nach Marzahn“, hörte ich die Sozialstadträtin Dagmar Pohle (PDS) im Rundfunk sagen. In der Sendung ging es um mehr Wohnkomfort durch Umbau und Teilabriss von Plattenburgen. Die Stadträtin hätte auch selbstbewusst und einladend sagen können: Marzahn wird attraktiver; wer sich das ansieht, wird es feststellen. Aber nein, sie wünscht es sich.

Wie geht es weiter auf dem Gelände der „Topographie des Terrors“ nach der Trennung von dem Architekten Peter Zumthor? „Es bedarf keiner großartigen neuen Architektur, aber ich wünsche mir eine Gestaltung, die der Würde und den Anforderungen des Ortes gerecht wird“, bekundete Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg JungeReyer (SPD) vor der Presse. Nichts gegen die vorsichtige Stellungnahme der Senatorin. Sie entscheidet wahrlich nicht allein. Aber warum hat sie ihre Meinung in einen Wunsch gekleidet? „Ich wünsche mir Sensibilität und Effektivität“, erklärte die SPD-Abgeordnete Ulrike Neumann im Parlament zur Frauenpolitik. Wie empfindsam sie alle mit Problemen umgehen. Wünsche, wer hätte sie nicht? Die Frage ist nur, was zu tun ist, damit man sie sich selbst oder anderen erfüllen kann. Ist es wichtig, ob sich einzelne Politiker etwas wünschen? Nein, sie sollen etwas wollen, Stellung beziehen und für ihre Vorstellungen um Mehrheiten werben.

Wer sich etwas wünscht, malt sich etwas aus, ganz individuell. Bestenfalls hat er eine Vision. Doch Politiker beantworten auch konkrete Fragen zu bestimmten Themen, indem sie ihre Wünsche äußern. Das hört sich so menschlich, so persönlich an, bescheiden und nach Respekt vor den Meinungen anderer. Allerdings klingt es auch merkwürdig passiv. Man wird den Verdacht nicht los, dass Unsicherheit dahinter steckt, so etwas wie hinhaltende Unverbindlichkeit: Schaun wir mal; kommt Zeit, kommt Rat.

Kämpfernaturen halten sich nicht mit frommen Wünschen auf, natürlich nicht. Stellen wir uns vor, Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) würde den Parlamentariern erzählen: Ich wünsche mir, dass die Finanznot bald ein Ende hat. Sie würden ihn auslachen. Einer wie FDP-Fraktionschef Martin Lindner zum Beispiel käme im Traum nicht auf den Einfall zu sagen: Ich wünsche mir mehr Privatisierungen. Er fordert sie, und zwar knallhart. Da weiß man doch, woran man ist. Das erleichtert die Auseinandersetzung. Auch Kompromisse setzen ja einen Standpunkt voraus. Ich wünsche mir: Das ist gar nichts. Es ist modisches Gerede.

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