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Berlin: Wulff: Alle Ministerien gehören nach Berlin

Niedersachsens Ministerpräsident spricht sich dafür aus, die Regierungsbehörden aus Bonn in die Hauptstadt zu holen

Nach der Schelte für Rot-Rot folgen Streicheleinheiten für die Hauptstadt. Einen Monat ist es her, dass Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) mit kritischen Worten zur Berliner Haushaltslage und zur „Verschuldungsmentalität“ Widerspruch provozierte.

Jetzt macht sich der Niedersachse stark für den kompletten Hauptstadtumzug an die Spree. Die Aufteilung der Bundesministerien zwischen Bonn und Berlin müsse beendet werden, „alle Ministerien sollten ihren ausschließlichen Sitz in Berlin haben“, fordert Wulff in einem Brief an seinen Parteifreund Uwe Lehmann-Brauns, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses. „Berlin braucht unsere Solidarität und Hilfe – als unsere Hauptstadt, auf die wir stolz sein wollen und auch stolz sein können“, heißt es in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. Wulff macht darin deutlich, dass seine umstrittene Berlin-Rede Anfang November sich nicht gegen Berlin als Ganzes gerichtet habe, sondern vor allem die politischen „Versäumnisse des rot-roten Senats“ kritisieren sollte.

Mit seinem aktuellen Plädoyer für den Totalumzug stellt sich Wulff gegen die Bundesregierung, die bislang am Bonn- Berlin-Gesetz festhält, sowie gegen einflussreiche Länderchefs seiner eigenen Partei wie Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Verfechter der Ministerienaufteilung zwischen alter und neuer Hauptstadt.

Unter Berliner Politikern löst Wulffs Forderung parteiübergreifend Freude aus. „Es wird mittel- und langfristig kein Weg daran vorbeiführen, dass alle Bundesministerien nach Berlin kommen“, sagt Ditmar Staffelt, Berliner SPD-Bundestagsabgeordneter. Nach dem Scheitern der Berliner Haushaltsklage vor dem Bundesverfassungsgericht im Oktober hat das Berliner Anliegen wieder an Bedeutung gewonnen, sind sich Landesregierung und Opposition einig, und da passen Wulffs Worte gut ins Bild: „Man kann uns nicht einerseits auffordern, mehr für die Haushaltskonsolidierung zu tun, und uns andererseits die Möglichkeiten dazu verwehren“, sagte Parlamentsvize Uwe Lehmann-Brauns. Alleine 800 Millionen Euro Steuereinnahmen jährlich gingen Berlin durch die Aufteilung der Bundesministerien verloren, rechnet er vor. „Wir brauchen eine Debatte, was den Ländern die Hauptstadt wert ist – dafür ist Wulffs eindeutige Positionierung ein hilfreicher Beitrag“, findet Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linkspartei/PDS. Der Sprecher des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), Michael Donnermeyer, wünscht sich von Wulff allerdings noch klarere Worte. Es gehe in der Debatte nicht nur um die Frage, wo die Ministerien ihren Sitz haben, „es müssten auch alle Beamte nach Berlin kommen“.

Die Berliner Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert (SPD) wünscht sich von Wulff, dass er es nicht bei der „Seelenmassage“ für seine Berliner Parteifreunde belasse, sondern auch gegenüber Bonn- Unterstützern wie Rüttgers für den kompletten Umzug werbe. Erfolgversprechender als politische Bekenntnisse findet Rawert den Weg, den der Haushaltsausschuss des Bundestages kürzlich vorgegeben habe: Alle Ministerien wurden beauftragt, die Kosten der Bonn-Berlin-Aufteilung zu beziffern, die unter anderem durch Hunderttausende Beamtenflüge entstehen. Liegen die Zahlen vor, so die Hoffnung der Anhänger des Komplettumzuges, kann sich auch der Bund dem Anliegen nicht mehr verweigern.

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