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Berlin: Wunschberuf: Polizistin

Die Polizei hat Duygu Özkan schon häufiger beschützt. Jetzt will sie selbst Beamtin werden – notfalls auch außerhalb Berlins

Für ihren Wunsch, Polizistin zu werden, war genau genommen ihr alkoholkranker Vater verantwortlich. Als Duygu Özkan noch ein kleines Mädchen war und mit ihrer Familie in Hannover lebte, stand die Polizei fast jeden Abend vor der Wohnungstür. „Mein Vater wurde gewalttätig, wenn er getrunken hatte. Die Polizisten haben mich und meine Mutter vor ihm beschützt“, erzählt die 22-Jährige. „Ich durfte bei denen im Streifenwagen sitzen, wenn es wieder einmal Krawall gegeben hat.“ Seither war für Duygu Özkan klar: „Ich will später auch als Polizistin arbeiten und anderen helfen.“

Doch einen Ausbildungsplatz bei der Polizei zu bekommen, ist nicht einfach. Die größte Hürde für die meisten ist der persönliche Eignungstest. Vor allem junge Bewerber ausländischer Herkunft scheiterten bislang an den harten Anforderungen: sprachliche Ausdrucksfähigkeit, Artikulation im Bewerbungsgespräch usw. Das soll nun anders werden. „Interkulturelle Trainingsmaßnahme für Jugendliche nichtdeutscher Herkunft" heißt das Projekt, das der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) mit Hilfe der Berliner Polizei, der Senatsverwaltung für Inneres und dem Arbeitsamt ins Leben gerufen hat.

Seit Mitte April nimmt Duygu Özkan mit 24 anderen jungen Arbeitslosen und Schulabgängern türkischer Herkunft an dem Lehrgang teil. Von 8 bis 15 Uhr sitzen sie in Schulungsräumen im Komplex des Neuköllner „Kindl-Boulevard“ und lernen Mathe, Amts-Deutsch und -Türkisch und lassen sich im Berufskunde-Unterricht von Polizisten erklären, welche Aufgaben die Polizei hat. Auch Exkursionen zu einzelnen Polizeiabschnitten und in die Innenverwaltung stehen auf dem Stundenplan. Zwölf Wochen dauert die Schulung. „Wir bekommen hier nicht die Prüfungsaufgaben für den Polizeitest vorgesagt. Es geht einfach darum, dass wir die gleichen Grundlagen wie die deutschen Bewerber bekommen“, erklärt Duygu Özkan.

Kübra Demirel, 20 Jahre und ebenfalls Teilnehmerin im Lehrgang, lächelt schüchtern. Was sie so fasziniert an der Polizei? „Die Uniform“, antwortet sie und grinst. „Mal im Ernst: Ich wollte immer Polizistin werden. Dieser Beruf ist halt sehr vielfältig.“

110 Bewerber gab es für das deutschlandweit einmalige Projekt, das vom Arbeitsamt mit 50 000 Euro finanziert wird. Wie der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch kürzlich sagte, gäbe es gegenwärtig „etwa 50 Berliner Polizisten, die keine deutsche Herkunft haben“. Doch gerade in Berlin, der „Multikulti-Stadt“, sei die Polizei daran interessiert, dass es mehr Beamten ausländischer Herkunft gäbe.

„Macht doch Sinn“, findet auch Kübra Demirel: „Zum Beispiel, wenn wir mit deutschen Kollegen auf Streife sind und eine türkische Jugendgang kontrollieren. Wir können verstehen, wenn die sich etwas auf türkisch zurufen.“ Ihre Freundin Duygu nickt. „Außerdem kennen wir uns besser mit der Kultur aus als Deutsche. Das kann im Dienst von Vorteil sein.“

Kübra Demirel lebt mit sechs Geschwistern bei ihrer Familie in Neukölln. „Meine Mutter hat jahrelang in einer Fabrik gearbeitet. Meine Eltern wären stolz, wenn ich es bei der Polizei schaffe – damit es mir besser geht als ihnen", sagt sie. Duygu Özkan will sogar einen Kredit aufnehmen, „um mir die Augen lasern zu lassen. 1500 Euro pro Auge. Ich bin stark kurzsichtig. Mit Kontaktlinsen werde ich zum Eignungstest nicht zugelassen“, sagt sie.

Doch ihre Freude auf den Polizeiberuf ist zugleich getrübt. Nicht, weil der Lehrgang sie enttäuscht hätte. „Leider haben wir zu Beginn des Projekts erfahren, dass die Berliner Polizei in diesem Jahr keine Bewerber annimmt. Berlin hat halt kein Geld. Der nächste Test ist erst im April 2004“, sagt Duygu Özkan. Für sie bedeutet das: „Ich werde mich, sobald es möglich ist, auch in anderen Bundesländern bewerben.“ Denn sie will diesen Beruf ergreifen – egal wo.

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