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Berlin: Wurde Lenin geklaut?

Initiative fürchtet, dass Teile der vergrabenen Statue fehlen

Erst sieht man nur seinen Schatten, den die untergehende Sonne auf die Häuserfassaden wirft, dann erkennt man ihn: Lenin. Mit einem dünnem Drahtseil hängt er an einem Helikopter. Eine Schlüsselszene im Erfolgsfilm „Good Bye Lenin“.

„Was ist eigentlich aus eurem Denkmal geworden?“ Diese Frage bekommt Edith Wäscher seit dem Film oft zu hören. Sie ist Mitglied der Bürgerinitiative Lenindenkmal, die es seit 1991 gibt. Sie wollten, dass die Geschichte nicht einfach weggetragen, verscharrt und vergessen wird. Deshalb startete die Bürgerinitiative damals Telefonketten, sammelte Unterschriften und verteilte Flugblätter. Ohne Erfolg. Am 8. November 1991 begann der Abbau der Lenin-Statue. Seitdem setzt sich die Bürgerinitiave dafür ein, dass das Kunstwerk sachgerecht verwahrt wird. Doch wo lagert man eine 19 Meter hohe Statue, zerlegt in 129 Einzelteile? Damals stellten die Berliner Forsten ein Gebiet zur Verfügung und so wurde der russische Revolutionär Stück für Stück in die Seddiner Heide in Köpenick verbuddelt.

Edith Wäscher dokumentierte alles akribisch 10.7.1992: Lenins Kopf liegt mit der Nase schräg gen Boden. Wenige Monate später, 20.12.1992: Kein roter Granit ist mehr zu sehen, nur noch ein meterhoher Sandwall. Hier liegt er also begraben, unter Tonnen Märkischen Sandes. Eine Grabstelle für einen Riesen. „So darf man doch mit der Geschichte nicht umgehen“, sagt die Rentnerin. Mit anderen Mitgliedern der Bürgerinitiave fährt sie regelmäßig zur Seddingrube und sieht nach dem Rechten. Einmal brachte sie ein norwegisches Filmteam mit. Aber das sei das einzige Mal gewesen, dass sie von einem Förster aufgehalten wurde, sagt sie. Sonst habe sie immer durchmarschieren können.

Eigentlich sollte das nicht möglich sein. „Der Sandhügel liegt in einem geschlossenen Forstgebiet, das ist für die Öffentlichkeit nicht zugelassen“, sagt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Petra Reetz. Der Grund: Das Kunstwerk müsse geschützt werden. Darüber kann Edith Wäscher nur schmunzeln. Es gibt zwar noch ein Tor mit einem Schloss, aber von allen anderen Seiten gibt es keinen Zaun mehr. Doch was Edith Wäscher bei ihrem letzten Besuch erlebte, fand sie schaurig. Teile der Statue waren ausgegraben. Der Sandberg, beim letzten Besuch noch grün überwuchert, war aufgewühlt. Wer sich an dem Granit-Lenin zu Schaffen gemacht haben könnte, weiß Edith Wäscher nicht. Aber sie ist sich sicher, „Das was da passiert ist, ist durch Menschenhand passiert.“

Das sieht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung anders. „Niemand hat da gebuddelt“, behauptet die Sprecherin Petra Reetz. Dass sich Unbefugte generell an den Steinquadern zu Schaffen machen, streitet sie nicht ab. „Da gehen immer mal wieder Freaks dran“. „Die Bürgerinitiative dramatisiert etwas“, so das Urteil der Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Glaubt man jedoch Edith Wäscher, dann ist Dramatisches bereits geschehen.

Ein Bild vom August 2001 zeigt ein tiefes Loch mit seitlich eingerammten Holzpfählen. Wäscher vermutet, dass ein wichtiger Teil des Denkmals mit einem Kran und LKW abtransportiert wurde. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ließ sich von der Meldung nicht beunruhigen. Ihre Erklärung: Kinder hätten dort gespielt, oder ein Obdachloser sein Quartier aufgeschlagen.

Petra Reetz ist sich sicher: Alles ist noch genau dort, wo es 1992 abgelegt wurde. Ob doch der ein oder andere Mauerspecht am Werk war, lässt sich wohl erst nachvollziehen, wenn Stücke aus der Lenin-Statue öffentlich verkauft werden. Dem will die Senatsverwaltung vorbeugen. "Wir werden die Stelle neu verschütten", kündigte Reetz an.

Bettina Ritter

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