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Berlin: www.warme-mahlzeit.de

Sie kann einem richtig Leid tun, die Internet-Branche. Aber dass es den Content und Community Manager von gestern so schlecht geht, dass sie inzwischen bereits mit einer warmen Mahlzeit gratis versorgt werden müssen, gibt zu denken.

Von Heike Gläser

Sie kann einem richtig Leid tun, die Internet-Branche. Aber dass es den Content und Community Manager von gestern so schlecht geht, dass sie inzwischen bereits mit einer warmen Mahlzeit gratis versorgt werden müssen, gibt zu denken. Grit Seeck vom Restaurant Barenger veranstaltet noch bis 27. Januar täglich nach kalifornischem Vorbild einen "Leichenschmaus" für alle Ex-Mitarbeiter von New Economy-Firmen. Gegen Vorlage des Arbeitsvertrages samt Kündigungsschreiben im Original können sie täglich zwischen zwei Gerichten wählen. Da sitzen sie in der Universitätsstraße in Mitte bei gehobener kalifornischer und deutscher Küche und lassen sich Seelachsschnitten, Königsberger Klopse oder Krabbenrisotto servieren. Business Lunch nennt sich das Mittagsangebot auf der Speisekarte des Lokals. No Business Lunch wäre wohl treffender.

Christoph Räthke und Boris Eldagsen sind beide arbeitslos, nachdem sie gut eineinhalb Jahre für Planet Internet gearbeitet hatten. Doch beide sind frohen Mutes: "Neue Perspektiven zu entwickeln, das haben wir in der Branche gelernt", sagt Eldagsen. Der 31-Jährige hat Kunst und Philosophie studiert, bevor er zur Internet-Branche kam. Er ist Quereinsteiger, wie alle am Tisch. Räthke ist eigentlich Historiker und hatte bei Planet Internet einen "echt coolen Job". Noch Monate nach der Kündigung erinnert er sich fast wehmütig an die guten alten Zeiten, als die Branche noch boomte. Er schätzt die New Economy-Szene, weil dort nur sympathische, kreative Leute zusammenkommen, so wie hier beim Treffen im Barenger. Er habe sehr gut verdient und nach der Kündigung noch drei Monatsgehälter samt einer dicken Abfindung erhalten. Noch könne er damit erst einmal seinen Lebensstandard halten.

Ulrike Rogler geht es anders. Die 30-jährige Germanistin hat bei idpraxis als Online-Redakteurin gearbeitet, bis ihr vor vier Monaten betriebsbedingt gekündigt wurde. Das Zehn-Mann-Unternehmen habe ihr nicht so viel zahlen können. Dazu kam, dass sie dreieinhalb Monate auf ihr Arbeitslosengeld gewartet habe. "Die Abfindung war nicht der Bringer", meint auch Simone Veenstra (30), die als Entertainment Content Managerin bei Fun Online, einem Internetauftritt für Jugendliche gearbeitet hat. Doch auch dieses Unternehmen konnte sich nicht finanzieren. Sie ist ebenfalls derzeit arbeitslos und auf der Suche nach einem neuen Job. Ob sie wiederkomme zum schicken Leichenschmaus für lau? Simone Veenstra verneint: "Ich sitze jeden Tag am Rechner und schreibe Bewerbungen." Für die tägliche Mahlzeit, auch wenn sie umsonst ist, habe sie nicht die Zeit.

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