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Berlin: Zander: Originelle Küche in einem noch ausbaufähigen Kiez

In unserer kleinen Service-Reihe "Lokale, die sich für Staatsgäste auch noch eignen könnten", begeben wir uns heute selbstredend nach Prenzlauer Berg. Dort geht es in den Kiez rund um den Kollwitzplatz, dessen Boheme-Phase ja leider viel zu kurz bemessen war.

In unserer kleinen Service-Reihe "Lokale, die sich für Staatsgäste auch noch eignen könnten", begeben wir uns heute selbstredend nach Prenzlauer Berg. Dort geht es in den Kiez rund um den Kollwitzplatz, dessen Boheme-Phase ja leider viel zu kurz bemessen war. Des US-Präsidenten Stippvisite dort wird wahrscheinlich mehr Arrivierte zur Erkundung des Szene-Viertels ermutigen.

Das Restaurant Zander sieht von außen gefährlich angenehm (autonome Spießer!) aus mit weiß gedeckten Tischen sogar auf der Straßenterrasse. Innen ist es liebevoll eingerichtet mit offener Küche, die allerdings einen Tick mehr Lüftung vertragen könnte, und einer kleinen Galerie. Gelbe Rosen, passend zu den Papierservietten, Kerzen und der extrem aufmerksame (manchmal überaufmerksame) Service schaffen so einen Eindruck von aufgedresster Behaglichkeit. Die Karte ist vergleichsweise originell. Sie setzt regionale Akzente, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, hier stünden altmodische Magenbelastungstests à la Futtern-wie-bei-Muttern-Folklore auf dem Programm. Das Angebot reicht vom "Allerlei von der Bauerntaube" bis zu gratiniertem Brandenburger Blauschimmelkäse auf Olivenpüree. Prosecco in einfachen Gläsern, aber zwei verschiedene Sorten Brot (vorbildlich frisch), dazu Paprika-Kräuter-Quark vorweg. Der Stolz des Hauses verlangt offenbar nach einem Appetitanreger, hier eine kleine Glasschüssel voll mit Gurkensuppe, die schön pikant und kalt war. Leicht und köstlich war die Suppe vom Dahme-Zander mit gutem Fisch, Kräutern und Gemüsestreifen (9 DM). Die verschiedenen Blattsalate mit Honig-Balsamico-Dressing, Pinienkernen, Cherry-Tomaten und Radieschen hatten auch so einen Charme nach Art der 80er Jahre, als Berufseinsteiger anfingen, das fein gestylte Leben zu entdecken (7 DM).

Fast verdächtig schnell folgten die Hauptgerichte. Ein bisschen Luftholen schadet eigentlich meistens nicht (und erhöht den Getränkekonsum). Der Klassiker, Spargel mit Serrano-Schinken, war gut ausgeführt, wobei die Spargel-Quellen denen des Zanders offenbar ein bisschen nachstehen, jedenfalls waren die Stangen recht dünn, dafür war der Schinken gut, die Hollandaise schmeckte achtbar, und die kleinen, ungeschälten Kartoffeln leisteten ihren Beitrag zum Öko-Look tapfer und schmackhaft (24 DM). Ungeschälte Kartoffeln gab es auch zu den anderen Gerichten, mal heißen sie Butter-, mal Schnittlauchkartoffeln, aber sie sehen immer gleich aus.

Sehr schön zart und rosig gebraten war der glacierte Kalbrücken, dessen Beilagen, von köstlichen Röstzwiebeln einmal abgesehen, sich bei aller Speisekartenpoesie am Ende denen sehr ähnlich zeigten, deren sich schon der Schinken gerühmt hatte, aber das macht ja nichts. Nur die Cuisine der Tiefkühltruhe protzt auf Teufel komm raus mit Vielfalt. Wer auf sich hält, konzentriert sich eher auf die Highlights des Marktes. Diese Politik verfolgt man hier - hoffentlich konsequent (30 DM).

Wobei mir auffiel, dass einige Gerichte mit Trüffeln aufgeführt waren ("Dahme-Zander in der Haut mit getrüffelten Steckrüben"), obwohl die Höhepunkte der Trüffelsaison doch noch ein Weilchen hin ist. Aber wenn der Koch sich am eigenen Geschmack orientiert, geht das in Ordnung. Mit dem Essenkochen ist es wie mit Geschenken: Man soll das weitergeben, was einem selber auch gefällt, dann hat man meist Erfolg.

Die Weinkarte ist sehr gebrauchsorientiert mit Lagen aus Frankreich, Deutschland, Österreich, die Preise meist in den 40ern angesiedelt; interessanterweise gibt es auch edelsüße Weine, deren Liebhaber sonst häufig auf der Strecke bleiben. Der offene Rosato aus dem Veneto (0,25 = 7 DM) erwies sich als angenehmer Begleiter zu dem Essen, und das Mineralwasser mit den schönen Hundertwasser-Bildern setzte noch einen dekorativen Akzent dazu.

Der wurde an Farbenpracht allenfalls übertroffen von dem Überraschungsdessert mit weißer Mousse au Chocolat, schwarzem Schokoladengitter, tollem Rhabarberkuchen, Pfirsisch, Kiwi und Erdbeeren (12 DM).

Im Laufe des Abends wurden wir Zeugen, wie viele, die nicht reserviert hatten und offensichtlich auf einen freien Platz hofften, abgewiesen wurden. Diesmal war ich ganz zufrieden mit der Entdeckung eines recht zivilisierten Lokals in dem noch ausbaufähigen Kiez. Meine Eintracht mit der Welt im Ganzen und dem Zander im Besonderen schrie natürlich nach einem kritischen Kommentar meines Begleiters aus dem schwer zufriedenzustellenden Blankenese. Er fand den Spargel zu labberig, die Nachfrage, wie es geschmeckt hat, zu häufig und (jetzt kommen wir zum Punkt!) Espresso und Kirschwasser zu geizig bemessen. Nun hat jeder andere Vorlieben, der eine Begleiter könnte sich im Gurkensuppen-Amuse-Gueule baden, wo der andere das ganze Zeugs jederzeit gegen einen Extratropfen Digestif tauschen würde. Die Gastgeber in der Bundesregierung können davon wahrscheinlich auch ein Lied singen. Wer welche Präferenzen hat, kann man als junges Restaurant nur erahnen. Mit steigendem Alter und größerer Erfahrung wird das aber besser, keine Sorge. Und bis die Queen kommt, dauert es ja glücklicherweise noch ein bisschen.

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