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Vorsicht, bissig. Die Zahl der registrierten Borreliose-Erkrankungen hat in Brandenburg in den vergangenen Jahren zugenommen.

© Patrick Pleul/dpa

Zecken übertragen Borreliose: Die unterschätzte Gefahr in Brandenburgs Wäldern

Der Biss einer Zecke kann schwerwiegende Folgen haben. Experten kritisieren, dass zu wenig Geld in die Borreliose-Forschung gesteckt wird.

Endlich Frühling, denken sich derzeit viele und strömen ins Grüne. Darüber freut sich aber auch ein blutsaugendes Spinnentier: die Zecke. Der Biss ist nicht ungefährlich: Brandenburg ist Borreliose-Risikogebiet. Bei 1549 Märkern wurde laut Landesgesundheitsministerium im vergangenen Jahr Borreliose diagnostiziert. 2017 sind bislang 104 Brandenburger erkrankt. Potsdam-Mittelmark gehört neben der Prignitz und Barnim zu den am stärksten betroffenen Regionen im Land. Bis Ende April hatten Ärzte bereits 13 Fälle im Landkreis gemeldet. Im Laufe des Sommers wird sich diese Zahl voraussichtlich etwa verzwanzigfachen. Im vergangenen Jahr meldeten Ärzte insgesamt 222 Fälle von Borreliose in Potsdam-Mittelmark.

Jedes Jahr mehr Borreliose-Kranke

Im gesamten Land Brandenburg ist die Zahl der Borreliosefälle im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Im Jahr 2015 waren es noch 1174 Fälle und somit fast 400 weniger als 2016. In den Jahren vor 2015 hatte es bereits einen kontinuierlichen Anstieg gegeben. „Das kann zum Teil an der wachsenden Bevölkerungsdichte, aber auch an den höheren Temperaturen durch den Klimawandel liegen“, sagt Borreliose-Experte Anton Waldherr. Der Mediziner beschäftigt sich seit fast 20 Jahren mit der Krankheit und hat mit Kristof Martin im August 2015 in Kleinmachnow die privatärztliche Laborpraxis Dedimed gegründet. Das Unternehmen ist auf die Diagnostik von Borreliose und anderen bakteriellen Infektionen spezialisiert. Zecken würden ab einer Temperatur von acht Grad aktiv, erklärt Waldherr. Aufgrund milder Winter und einem frühen Temperaturanstieg im Frühjahr werden die Tiere dem Menschen inzwischen also teilweise schon im Februar gefährlich. Allerdings sind die Blutsauger zum Überleben auf ein feuchtwarmes Milieu angewiesen. Fällt das Frühjahr zu trocken aus, stört dies die Entwicklung der Tiere.

Symptome werden oft nicht erkannt

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts erkranken etwa fünf Prozent der Personen, die von einer Borrelien tragenden Zecke gestochen werden. Dabei zeigt jedoch nur ein kleiner Teil der Infizierten, nämlich ein Prozent, auch Krankheitssymptome. Studien haben gezeigt, dass rund sechs Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer in Deutschland Antikörper gegen Borreliose im Blut haben und somit mindestens ein Mal in ihrem Leben betroffen waren. In Risikogebieten, zu denen große Teile Süddeutschlands gehören, hätten sogar bis zu 20 Prozent aller Erwachsenen Antikörper gegen Borrelien im Blut.

Die Krankheit könne aber auch jahrelang unbemerkt bestehen bleiben, da sie nur zeitweise mit offensichtlichen Symptomen einhergeht, sagt Waldherr. Oft bringen Betroffene diese aber nicht mit dem Zeckenstich in Verbindung. Auch eine charakteristische rote Färbung rund um den Zeckenstich tritt nur bei einem Teil der Erkrankten auf. Sie können so auch andere Personen anstecken, ohne je selbst Symptome gespürt zu haben.

Ärzte täten sich nach wie vor schwer mit der Diagnose, da sich die Symptome oft kaum von denen von Autoimmunkrankheiten unterschieden, sagt Waldherr. Dabei sind die Heilungschancen durchaus gut: Wird die Borreliose innerhalb der ersten drei bis vier Monate erkannt, werden neun von zehn Erkrankten wieder vollständig gesund. Zur Therapie geben Ärzte im Anfangsstadium verschiedene Antibiotika. In späteren Phasen der Krankheit sinkt die Heilungschance auf rund 70 Prozent. „Dies sind allerdings aufgrund der mangelhaften Datenlage nur geschätzte Zahlen“, sagt Waldherr. Langfristig entwickelten Patienten neben den körperlichen vor allem schwerwiegende psychische Symptome. Laut dem Mediziner komme es unter Borreliose-Patienten aufgrund von starken Depressionen zu erhöhten Suizidraten.

Für Medikamenten-Tests fehlen Gelder

Waldherr bemängelt, dass in die Erforschung der tückischen Krankheit nach wie vor zu wenig finanzielle Mittel flössen. Aktuelle Laborexperimente würden immerhin nahelegen, dass der Blattextrakt des Süßstoffs Stevia und das Medikament Disulfiram, das auch gegen Alkoholabhängigkeit eingesetzt wird, gegen Borreliose helfen könnten. Bislang sei beides aber nur im Reagenzglas getestet worden, nicht an Menschen.

Dabei ist die Krankheit Borreliose offenbar eines der ältesten Leiden der Menschheit: Als Forscher 2011 das Erbgut des weltweit bekannten Gletschermannes Ötzi analysierten, fanden sie Borrelien. Der Mann soll vor rund 5200 Jahren gelebt haben. Ob er Symptome der Krankheit gespürt hat oder sie womöglich unentdeckt wieder ausheilte, konnten die Forscher jedoch nicht feststellen.

Julia Frese

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