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Seit zehn Jahren gibt es das Nichtraucherschutzgesetz.

© dpa

Zehn Jahre Nichtraucherschutz: Die Rückkehr der Raucherinseln auf Bahnhöfen

In der U-Bahn wird es mit 15 Euro bestraft - die S-Bahn will stärker kontrollieren, aber auch neue Inseln für Raucher einrichten. Richtig oder falsch?

In dieser Woche feiert das Berliner Nichtraucherschutzgesetz seinen zehnten Geburtstag. Wie neugeboren fühlten sich 2007 vor allem Restaurantgäste, die endlich nicht mehr zwischen Qualmwolken essen und zu Hause sämtliche Kleidung direkt in die Waschmaschine stopfen mussten.

"Problem sind verqualmte Kiezkneipen"

Doch aus Sicht von Fachleuten greift das Gesetz zu kurz. „Das Problem in Berlin sind die nach wie vor verqualmten Kiezkneipen“, sagt Martina Pötschke- Langer, die als Ärztin jahrzehntelang in der Krebsprävention gearbeitet hat und dem Aktionsbündnis Nichtrauchen vorsteht, in dem sich 15 bundesweit tätige Gesundheitsorganisationen zusammengeschlossen haben. Zwar hat sich die Koexistenz der rauchfreien Restaurants und der rund 500 (Raucher-)Kneipen eingespielt, aber Letztere „stellen für Nichtraucher eine echte Gesundheitsgefahr dar und erhöhen auch für Raucher das Risiko noch weiter“, sagt die Medizinerin.

Rauchverbot auf Bahnhöfen

So alt wie das Gesetz ist auch das generelle Rauchverbot auf Bahnhöfen. Hier gilt nicht die allgemeine, im Wesentlichen auf Gebäude bezogene Regelung, sondern die Hausordnung der Bahn. Die ändert gerade ihren Umgang mit den notorischen Rauchern. Einerseits soll das Verbot konsequenter durchgesetzt werden, was sich nach Auskunft von Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert bereits an den verhängten Strafen zeigt: 3726 Mal mussten erwischte Raucher im vergangenen Jahr die 15 Euro zahlen, 3375 Mal von Januar bis Mitte September.

S-Bahn will nicht mehr nur in der City kontrollieren

Während bisher nur auf Innenstadtbahnhöfen regelmäßig kontrolliert und auf den anderen Stationen weiter nach Belieben gequalmt wird, soll das Verbot künftig auf allen 166 S-Bahnhöfen in und um Berlin durchgesetzt werden.

43 Raucherinseln auf den S-Bahnsteigen

Andererseits sollen 43 ausreichend große und gut belüftete (also nicht in Tunneln oder Hallen gelegene) Stationen Raucherinseln erhalten, denn „wir wollen niemanden drangsalieren“, sagt Ahlert. So will die Bahn den vielen Kunden entgegenkommen, die sich über den Dunst beschweren, und zugleich die Reinigungskosten verringern, wenn weniger Kippen von Bahnsteigen und Gleisen geputzt werden müssen.

Die S-Bahn will wieder Raucherinseln auf den Bahnsteigen markieren. 
Die S-Bahn will wieder Raucherinseln auf den Bahnsteigen markieren. 

© imago/Steinach

Der Nichtraucherverband „Pro Rauchfrei“ sieht in den neuen Raucherinseln „die schleichende Legalisierung des Qualmens“ – und will als anerkannte Verbraucherschutzorganisation die S-Bahn deshalb abmahnen. Lob kommt dagegen vom FDP-Gesundheitspolitiker Florian Kluckert, der Rauchern auf Tunnelbahnhöfen am liebsten „gut belüftete Raucherkabinen“ gönnen würde. Zu deren Finanzierung äußert er sich nicht.

Rauchverbot in BVG-Bussen seit ...

Die Medizinerin Pötschke-Langer rät Passanten, angesichts von Rauchergruppen auf Bahnsteigen und vor Gebäuden „die Luft anzuhalten und schnell durch diese Wolke zu eilen“. Zwar sei die Gesundheitsgefahr für Passivraucher durch den Verdünnungseffekt der Außenluft nicht so groß wie in Innenräumen, aber „man stellt sich ja auch nicht direkt hinter den Auspuff von Autos“. Deren Verbrennungsrückstände enthalten ebenso wie konventioneller Zigarettenrauch einen Mix teils hochgradig krebserregender Gifte. Bei E-Zigaretten sei dieses Risiko zwar geringer, aber die im „Dampf“ enthaltenen Aromen und ultrafeinen Staubpartikel könnten Schleimhäute reizen und über die Lunge in den Blutkreislauf gelangen, wo sie das Herz-Kreislauf-System schädigen. „Diese Partikel sind auch im ausgestoßenen Rauch vorhanden“, sagt Pötschke-Langer.

Berlin - die Raucherstadt

Laut dem Ende 2015 erschienenen „Tabakatlas Deutschland“ rauchen in Berlin rund 35 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen – mehr als in jedem anderen Bundesland. Etwa ebenso hoch ist der (bundesweite) Anteil der nicht rauchenden Männer und Frauen, die mindestens einmal pro Woche Passivrauchbelastung ausgesetzt sind. Laut dem Drogen- und Suchtbericht sinkt der Anteil der Raucher aber auch in Berlin. Davon profitieren auch Kinder: Laut Senatsgesundheitsverwaltung stieg die Quote der Nichtraucherhaushalte mit Kindern im Einschulungsalter binnen zehn Jahren von 53 auf 65 Prozent.

Während die S-Bahn Rauchern Inseln gönnt, gilt im U-Bahn-Netz ein generelles Rauchverbot. 1615 Mal hätten Sicherheitsleute oder Ticketkontrolleure im vergangenen Jahr wegen Verstößen 15 Euro Ordnungsgeld verlangt, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Die Zahl der Kundenbeschwerden über Rauchbelästigung sei gering. Das Verbot bei der U-Bahn sei 1978 eingeführt worden. In Bussen dürfe schon seit 1962 (in Ost-Berlin) beziehungsweise 1974 (West-Berlin) nicht mehr geraucht werden. An Bus- und Tramhaltestellen als öffentlichem Straßenland gelte kein Verbot. Aus medizinischer Sicht wäre es aber angebracht, sagt die Onkologin Pötschke-Langer: Messungen hätten ergeben, dass sich der Rauch in Wartehäuschen fast so hartnäckig halten könne wie in Innenräumen.

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