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Berlin: Zeichen der Macht

Woher hat der rote Teppich seine Farbe? Ein Exkurs in die Geschichte

Wenn heute Regisseur Steven Soderbergh zusammen mit seinen Stars vor dem Berlinale-Palast Hof hält, wo er seinen Film „The Good German“ vorstellt, dann erweist Berlin ihm eine der größten Ehren, die es kulturgeschichtlich zu bieten hat. Gemeint ist nicht eine Eintragung ins Goldene Buch, auch nicht die Ehrenbürgerwürde; gemeint ist der rote Teppich. „Er gehört zu den Symbolen, die bei der Inszenierung von Macht eine zentrale Rolle spielen“, sagt Wolfgang Kaschuba, Ethnologie-Professor an der Humboldt-Universität.

Dabei spielt die Farbe eine besonders wichtige Rolle. „Rot stand im Mittelalter für alles, was sehr wertvoll ist“, so Kaschuba. Rot war deswegen so teuer, weil es einst aus dem Drüsensekret der Purpurschnecke gewonnen wurde. Und da die Produktionskapazitäten der kleinen Viecher äußerst begrenzt sind, war Rot nicht nur selten, sondern auch Ausdruck besonderer Wertschätzung. Oft genug geschah das allerdings unter Zwang. Nach einem Krieg breitete der Unterlegene als Zeichen der Unterwürfigkeit seinen Mantel vor dem siegreichen Feldherrn aus.

„Rot ist die Farbe der Macht“, sagt Kaschuba. Nicht umsonst tragen auch die Kardinäle Rot, umgaben gekrönte Häupter sich stets mit roten Mänteln und empfangen Könige und Präsidenten weltweit ihre Gäste bis heute auf einem roten Teppich. In Zeiten, in denen gekrönte Häupter mindestens so interessant und machtvoll sind wie Tom Cruise, hat das Film- und Showbusiness sich des einstigen Ausdrucksmittels der Macht bedient.

Eine Folge demokratischer Traditionen, gewiss, aber auch eine der modernen Produktionsmittel. Für den roten Teppich vor dem Berlinale-Palast müssen zum Beispiel längst keine Tiere mehr sterben, im Gegenteil. Er ist voll synthetisch, daher bezahlbar, aber auch erstaunlich strapazierfähig. Das gilt durchaus auch im übertragenen Sinne, wenn sich mal wieder das ein oder andere Blitzlichtluder darauf produziert.

Aber nicht nur die rote Farbe lässt die Wertschätzung für die prominenten Gäste erkennen, sondern auch die Tatsache, dass überhaupt ein textiler Untergrund ausgelegt wird. Professor Kaschuba erklärt das ebenfalls aus der Kulturgeschichte: „Der Mächtige muss sich nicht die Schuhe schmutzig machen und er ist besser geschützt vor der Fußbodenkälte.“ Heute hat das zwar keinen Sinn mehr, denn selbst die zartesten Pumps halten die Füße hinlänglich warm. Im Mittelalter war das aber alles anders. Da steckten selbst die Mächtigsten in dünnen Stoffschuhen, durch deren Sohle die Kälte auf Dauer extrem ungemütlich werden konnte.

In dieser Hinsicht stellt der rote Teppich vor dem Eingang des Berlinale-Palasts sogar die Komfortvariante dar: er wärmt nicht nur von unten, nein, rechts und links wird das Insignium der Macht flankiert von Heizstrahlern. Damit selbst den Damen im schulterfreien Kleid nicht kalt wird.

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