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Berlin: Zeller sitzt in der Zwickmühle, Strieder am längeren Hebel

Der BND-Streit zeigt, wie sich die Chefs von CDU und SPD beharken

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Peter Strieder und Joachim Zeller. Da prallen Welten aufeinander. Wie in einem großen Teilchenbeschleuniger, wenn das Elektron auf das Positron trifft. Dann funkt’s. Die politische Gammastrahlung hat uns gerade wieder erreicht, als Stadtentwicklungssenator Strieder blitzschnell den Bundesnachrichtendienst von München-Pullach nach Berlin-Mitte verfrachtet hat. Mit wohlwollender Unterstützung des Bundeskanzleramts und des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. Nur der Koalitionspartner PDS hat ein bisschen gezuckt.

Auch der SPD-Landesvorsitzende Strieder war von der Standortentscheidung begeistert, während sich der Bezirksbürgermeister und CDU-Landeschef Zeller in seiner doppelten Amtsfunktion verheddert hat. Als Kommunalpolitiker stellte er sich schützend vor alle Kiezbewohner, die befürchten, dass die grüne Brache an der Chausseestraße, wo früher das Stadion der Weltjugend stand, bald in Nato-Draht eingewickelt wird. Mit langem Arm, so warnte der Bürgermeister, regiere der Bund in die Hauptstadt hinein. Aber: Als CDU-Landesvorsitzender Zeller schweigt er beharrlich zum Coup der Schlapphut-Freunde; vom Rest der Partei war auch nichts zu hören. Nur der CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer übte sich gestern in der hohen Kunst der Diplomatie, um den Führungsmann Zeller nicht zu beschädigen. Der Bundesnachrichtendienst sei in Berlin überall willkommen, versicherte Zimmer. „Ich hoffe, dass in Abstimmung mit dem Bezirk eine stadtverträgliche Lösung gefunden wird.“

Ach, der Joachim Zeller hat es nicht leicht. Nicht mit sich selbst, nicht mit der eigenen Partei und auch nicht mit seinen politischen Bündnispartnern im Bezirk, den Grünen und der PDS. Erst recht nicht mit Strieder, der in der zweistufigen Berliner Verwaltung eine Treppe über ihm steht. Eine gehobene Position, die der angriffslustige Sozialdemokrat gern auskostet, wenn es um Würstchenbuden am Brandenburger Tor, PR-Veranstaltungen von Autounternehmen auf dem Gendarmenmarkt, die Sanierung der hauptstädtischen Protokollmeile „Unter den Linden“ – oder die Ansiedlung des Geheimdienstes geht.

Selten sind sie sich einig. So wie im vergangenen Sommer, als es galt, wilde Grillorgien im Tiergarten zu beenden. Sonst aber sprühen die Funken zwischen den beiden ungleichen Gegnern.

Hier Zeller: der radikal unauffällige Spitzenmann der CDU. Ein bedächtiger, freundlich-brummeliger Oberschlesier mit krausem Vollbart. Ein ungefährlicher Bücherleser, der nach der Wende in die CDU gegangen ist, weil er der katholischen Soziallehre anhängt. Von seiner neuen Partei wurde Zeller sogleich in die Bezirkspolitik geschubst; man hat ihn als „Dorfschulzen“ geneckt, aber er fand das in Ordnung. Seitdem verwaltet Zeller recht ordentlich den Bezirk Mitte. Mit Hilfe einer schwarz-grün-roten Mehrheit, wobei weniger Wohlmeinende spotten, dass der Bürgermeister am kurzen Gängelband der energischen Baustadträtin Dorothee Dubrau hänge. So wie es Parteifreunde gibt, die im CDU- Parteichef Zeller nur eine Gallionsfigur sehen, der sich von seinem Generalsekretär und ausgebufften Alt-Wessi Gerhard Lawrentz den Landesverband der Union führen lasse. So schlecht denken die Wähler in Berlin, die Zeller kennen, nicht über ihn. In den Meinungsumfragen zur Beliebtheit von Politikern nimmt er sogar vordere Plätze ein. Allerdings kennt ihn nur jeder Dritte.

So ganz anders ist Strieder. Der patzig-fröhliche Berliner aus Franken, der seine Karriere im West-Berliner SPD-Landesverband als Vize-Landeschef der Jungsozialisten begann und sich über das Bezirksbürgermeisteramt in Kreuzberg energisch und überaus selbstbewusst zum Super-Senator in der Weltmetropole Berlin hocharbeitete. Von den Meinungsforschern wird Strieder trotzdem die rote Laterne angehängt. Er ist unpopulär, aber sehr bekannt. Auch in seiner Partei ist Strieder umstritten, weil er – wie schon auf dem Gymnasium – immer der Klassensprecher sein will. Um die Führung, weiß er, muss man immer kämpfen. In der Partei und im Regierungsamt. Er kennt die Orte, wo längere Hebel zu finden sind. So auch diesmal, als es um den Nachrichtendienst ging. Dann triumphiert er. Mal leise, meistens laut: Erstens habe ich recht, sagt er dann, und zweitens bin ich der Stärkere.

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