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Berlin: Zensur im Polizeipräsidium?

Ein Interview mit Glietschs Amtsvorgänger durfte nicht in der Mitarbeiterzeitung erscheinen

Eine Mitarbeiterzeitschrift führt ein Interview mit dem ehemaligen Chef – und ärgert damit den neuen. So etwas kann auch bei der Berliner Polizei passieren. Polizeipräsident Dieter Glietsch hat jetzt den Abdruck eines Gespräches des „Kompass“ mit seinem Amtsvorgänger Georg Schertz gekippt. Der „Kompass“ ist eine behördeninterne Mitarbeiterzeitung, die von Mitarbeitern der Polizeischule herausgegeben wird. Glietsch habe dem Redakteur unter Androhung der Versetzung verboten, sich nochmals mit Schertz in Verbindung zu setzen.

Hintergrund des Abdruckverbots sind nach Angaben von Schertz einige Passagen, in denen er sich nicht nur kritisch zu jugendlichen, ausländischen Serientätern, sondern auch zur Vorbildfunktion von Politikern äußert. Als stillos und brüskierend empfindet es Schertz, dass er nicht von Dieter Glietsch persönlich über die Entscheidung gegen das Interview informiert wurde, sondern ein „nachgeordneter Beamter“ ihn angerufen habe.

Stimmt nicht, heißt es dazu bei der Polizei. Dieter Glietsch habe Schertz angeboten, mit ihm darüber zu sprechen, das habe der AltPolizeipräsident aber abgelehnt. Und das Interview sei deshalb nicht erschienen, weil die Veranwortlichen, darunter Glietsch und sein Vize Gerd Neubeck, der Auffassung waren, es passe nicht zum Konzept des „Kompass“. Dessen Themenschwerpunkte seien die Aus- und Fortbildung in der Polizei und juristische Fragen. Die von Schertz angesprochenen Probleme seien im „Kompass“ nicht an der richtigen Stelle, sagte eine Polizeisprecherin. Er sei kein Forum für politische Themen.

Der frühere Richter Schertz äußert in dem Gespräch mit dem „Kompass“ harte Kritik an der Polizei und der Politik. Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit der Justiz verbessert werden kann, bescheinigt er seinen ehemaligen Richter-Kollegen, dass „sie oft nur relativ wenig Kenntnisse von der sozialen Wirklichkeit“ haben und nicht so „bodenständig“ seien, „wie es Polizeiführer meistens sind“. Die Polizei sollte Richter hin und wieder zu Einsätzen mitnehmen: Wer während der Krawalle am 1. Mai in einem Gruppenwagen der Polizei „durch die Oranienstraße oder die Skalitzer Straße fuhr, während die Steine an der Außenwand des Fahrzeugs aufschlugen, der ging anders aus dieser Nacht heraus als er hineinkam“.

Zur Ausländerkriminalität habe es zu seiner Zeit – Schertz war von 1987 bis 1992 Polizeipräsident – politische Anweisungen vom Innensenator gegeben. Der Anteil ausländischer Jugendlicher an der Gesamtkriminalität musste verschwiegen werden: „Um insbesondere nicht weiteres Öl ins Feuer der Ausländerfeindlichkeit zu gießen, wollte man diese Zahlen nicht öffentlich hören.“

Den Politikern wirft Schertz vor, schlechte Vorbilder zu sein. Wenn sich der Berliner Senat zu seinen Spar-Sitzungen getroffen habe, seien die Senatoren in „Luxuslimousinen der absoluten Oberklasse in gehobenen Grunewaldvillen“ vorgefahren. „Warum kann ein Regierender Bürgermeister nicht mit einem Passat fahren?“, fragt Schertz und stellt fest: „Was in Preußen einmal selbstverständliche staatliche Ethik der Führenden war, dass man mit gutem Beispiel voranging, das ist völlig abhanden gekommen.“weso

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