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Fassade des Schreckens. Das Prinz-Albrecht-Palais, hier eine Aufnahme von 1943, gab dem Gelände seinen Namen. Foto: Photonet/Lehnartz Archiv

© Photonet, I.N.C.

Neueröffnung Topographie des Terrors: Prinz-Albrecht-Gelände: Zentrale des Schreckens

Vom Prinz-Albrecht-Gelände in Berlin-Kreuzberg aus unterwarfen Gestapo und SS Europa. Heute eröffnet dort die neugestaltete Topographie des Terrors.

Die Angelegenheit war den Kreuzberger Bezirksoberen peinlich. Arbeiter des Bezirksamts hatten ein Schild, das an der Wilhelmstraße auf die angeblich ehemals dort befindlichen „Folterzellen der Geheimen Staatspolizei“ hinwies, direkt neben eine Werbetafel für die Travestieshow „Dreamboy’s Lachbühne“ montiert. Deren Gründer, Künstlername „StrapsHarry“, betrieb auf dem Brachgelände ein Autodrom für führerscheinfreies Fahren. Ein Jahr lang hatte niemand Anstoß an der Nachbarschaft der Schilder genommen, bis im August 1985 Touristen den Tagesspiegel darauf hinwiesen und der im Bezirksamt nachfragte. Binnen kurzem war die „Dreamboy“-Tafel weg, das Behördenschild blieb. Korrekt war es nicht: Die Gestapo saß nicht in der Wilhelm-, sondern in der Prinz-Albrecht- Straße, der heutigen Niederkirchnerstraße.

Der Vorfall war symptomatisch für die Gedankenlosigkeit, mit der man damals mit dem Gelände umging. Erste Pläne für ein Mahnmal lagen längst wieder auf Eis, erst die 750-Jahr-Feier 1987 brachte ein Umdenken, das an diesem Donnerstag in die Eröffnung der neuen „Topographie des Terrors“ auf dem Prinz-Albrecht-Gelände mündet. Beschleunigt wurde es nicht zuletzt dadurch, dass im Sommer 1986 auf dem Gelände zwischen Gropius-Bau, Anhalter, Wilhelm- und Niederkirchnerstraße Kellerreste des Gestapo- Gebäudes gefunden worden waren.

Das Prinz-Albrecht-Palais in der Wilhelmstraße 102 hatte dem Areal den Namen gegeben. Benannt war es nach dem zeitweiligen Besitzer Albrecht von Preußen, neuntes und jüngstes Kind von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise. Er hatte das heruntergekommene, knapp 100 Jahre alte Gebäude 1830 erworben. Dank Karl Friedrich Schinkel entstand daraus ein standesgemäßer Fürstenwohnsitz. 1928 wurde das Palais zum Gästehaus der Reichsregierung und nach Hitlers Machtübernahme 1933 mit den umliegenden Gebäuden zur Zentrale des nationalsozialistischen Terrors. 1934 zog in das Palais der Sicherheitsdienst (SD) der SS unter seinem Chef Reinhard Heydrich ein, der Nachrichtendienst der Partei, zu dessen Aufgaben neben der Ausforschung der deutschen Bevölkerung auch geheimdienstliche Aktivitäten im Ausland gehörten. Auch SS-Sturmbannführer Alfred Naujoks, der am 31. August 1939 den fingierten „polnischen“ Angriff auf den Sender Gleiwitz leitete, gehörte dem SD an.

Bereits 1933 war im Keller das „Hausgefängnis“ der Gestapo eingerichtet

Der Reichsführer SS Heinrich Himmler selbst war mit seinem Führungsstab 1934 von München nach Berlin ins ehemalige Hotel Prinz Albrecht in der Prinz-Albrecht-Straße 9 gezogen. Bereits 1933 war in der benachbarten ehemaligen Kunstgewerbeschule, Prinz-Albrecht-Straße 8, die Geheime Staatspolizei (Gestapo) untergekommen, westlich schloss sich das Kunstgewerbemuseum an, der heutige Gropius-Bau. Anfangs diente die Gestapo vor allem zur Ausschaltung politischer Gegner, später wurde sie zudem wichtiges Instrument im Eroberungs- und Rassenkrieg.

Auch das 1939 gegründete Reichssicherheitshauptamt (RSHA), in dem Himmler die staatliche Sicherheitspolizei (Gestapo und Reichskriminalpolizei) und den SD der Partei zusammenfasste, erhielt seinen Sitz in der Prinz-Albrecht-Straße 8. Das RSHA steuerte die nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungspolitik, hier wurden beispielsweise die Mitglieder der „Einsatzgruppen“ für die Massenexekutionen von Juden und politischen Gegnern ausgewählt.

Bereits im Spätsommer 1933 war im Keller der ehemaligen Kunstgewerbeschule das „Hausgefängnis“ der Gestapo eingerichtet worden, mit 38 Einzelzellen und einer Gemeinschaftszelle, Platz für rund 50 Häftlinge. Die Vernehmungen und Folterungen fanden in den Büros der oberen Etagen statt. Die Haftdauer konnte sich bis zu mehreren Monaten erstrecken, in der Regel war die Prinz-Albrecht-Straße 8 aber nur eine kurze Station auf dem Weg durch die Gefängnisse und Konzentrationslager. Etwa 15 000 Häftlinge waren es zwischen 1933 und 1945, darunter auch der Hitler-Attentäter Georg Elser, Mitglieder der Roten Kapelle, des Kreisauer Kreises sowie der am Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligten Gruppen.

In den letzten Kriegsjahren wurden die Gebäude zerstört oder schwer beschädigt und in den fünfziger Jahren abgerissen. Eine Bauschuttfirma machte sich breit und eben „Straps-Harry“. Und wenn Schilder Seite an Seite auf die „Folterzellen der Geheimen Staatspolizei“ und „Dreamboy’s Lachbühne“ hinwiesen, dauerte es lange, bis sich jemand darüber aufregte.

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