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Berlin: Zigtausende!

VON TAG ZU TAG David Ensikat über Leserwillen und Zahlenmystik Lieber Leser, dies soll kein Vorwurf sein. Aber sagen wir’s mal, wie es ist: Dass Du es immer ganz genau wissen willst, ist so eine Sache.

VON TAG ZU TAG

David Ensikat über

Leserwillen und Zahlenmystik

Lieber Leser, dies soll kein Vorwurf sein. Aber sagen wir’s mal, wie es ist: Dass Du es immer ganz genau wissen willst, ist so eine Sache. Verständlich, einerseits – wozu kauft man sich denn eine Zeitung, liest drin herum und manche Texte sogar durch? Da kann man erwarten, dass gesagt wird, wie viele Leute zum Beispiel zu einer großen Schaffe kommen, deren Bedeutung in derselben Zeitung als „nicht eben klein“ eingestuft wird.

Andererseits – ach, versuchen wir’s mit diesem Beispiel: Am Samstag sind die Schwulen und die Lesben durch die Stadt gehüpft und haben gerufen: „Guckt her, so viele sind wir! Überseht uns nicht!“ Wir haben geguckt, und wir haben geschrieben: Große Sache, nicht zu übersehen. Dann die Frage: Wie groß? Eher LoveParade- oder eher Kita-Demo-Dimension? Zahlen! Der Leser will Zahlen!

Die Veranstalter haben gesagt: Alles in allem, also Homos auf der Straße plus Heteros am Rand – na, sagen wir mal 600000. Anruf bei der Polizei, die müssen so was amtlich haben. Dort hieß es: 110000. Na dufte. Was sagen wir jetzt den Lesern? Sagen wir mal so: 110000 ohne, 600000 inklusive Bürgersteige. Kann das hinkommen?

Also bitte, lieber Leser: Wenn Du eine Idee hast, wie man Demonstranten antreten und durchzählen lassen kann, dann verlange von uns genaue Zahlen. Aber wenn das so weitergeht, wenn hier jeder durcheinander demonstriert, wie’s ihm gefällt, dann wundere dich nicht, wenn es demnächst heißt: Ganz schön viele Journalisten demonstrierten gestern gegen die unberechenbare Welt.

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