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Berlin: Zisch ab!

FEINKOST Nichts löscht sommerbedingten Durst besser als eiskalte, säurefrische Limonade. Unsere Testrunde machte sich auf die Suche nach der besten Orangenbrause.

Die kulinarische Evolution ist auch an der Orangenlimonade nicht spurlos vorübergegangen. Im Augenblick haben wir es sogar mit einem Limonadenboom zu tun, der neue Marken in vornehmlich schicken Flaschen in den Markt pumpt. Das war einer der Gründe, warum sich die monatliche Testrunde diesem Thema zuwandte. Der andere lag auf der Hand: Im Sommer gilt den Getränken naturgemäß höhere Aufmerksamkeit. Ausgesprochen sommerlich präsentierte sich auch der Schauplatz des Tests. Im prachtvollen Innenhof des Ellington-Hotels hatten Direktor Gunnar Gust und Chefkoch Florian Glauert auf einer lang gestreckten Tafel mit über hundert Gläsern eine regelrechte Versuchsanordnung aufgebaut.

Unter sozusagen hyperrealistischen Bedingungen wurde die erste Flasche geköpft. Sie stammte vom Discounter Lidl und enthielt „Freeway Orange“. Gleich bemerkte Glauert eine Geschmacksverschiebung in Richtung Mandarine und Multivitamin. Ansonsten scheint es dem Hersteller vor allem darum zu gehen, den vielen Zucker mit Säure zu bändigen. Das ist auch bei der einen Tick weniger süßen „River Orange“ vom Mitbewerber Aldi der Fall, die dem Juror und Viniculture-Inhaber Holger Schwarz eher aprikosig und auch ein bisschen dropsig vorkam. Bluna und Sinalco, die auf Glauert wirkten, als handelte es sich um mit Kohlensäure versetzte „Caprisonne“, ergänzten das Bild um Fruchtnoten, die im Schatten der Orange gut zu gedeihen scheinen: wiederum Aprikose und Ananas aus der Dose.

Es gibt Dinge, die wirken deshalb so ungemein ausgewogen, weil von allem etwas fehlt. Das gilt für „josy Orangen-Limonade“, die wie beinahe alle seltenen Marken bei Ambrosetti in der Charlottenburger Schillerstraße erhältlich ist. Wie ihr Antipode tritt die Lifestylemarke „fritz-limo Orangenlimonade“ auf. Weinhändler Schwarz erinnerte ihre fast zähflüssige Art an geschmolzenes Orangeneis. In diese Ecke gehören auch die fülligen, lange am Gaumen haftenden „Fanta“ und „Mirinda“, die besser sind als ihr Ruf.

Andere Produzenten dagegen setzen auf noch kräftigere Reize wie grelle Farbe, klirrende und von Süßstoff mitbestimmte Süße und tüchtig Druck. Kohlensäure ist zwar ein bewährtes Mittel, die Wuseligkeit des Wassers noch zu befördern, aber es steckte zu viel davon in der auch zu Ananas und Mandarine tendierenden „Alasia Orange“, in der relativ unsüßen „Spreequell Orange“ sowie der etwas bitteren „Bad Liebenwerda Orange“.

Das fette „Sunkist Orange“ wurde von Florian Glauert deshalb Discobrause genannt, weil es ihm wie ein Aperol ohne Alkohol vorkam. „Wird das nur aus Schalen gepresst?“, fragte er. Über eine interessante natürliche Nebenaromatik verfügt „Rixdorfer Orange Limonade“. Zwar knirschen die Zähne unter dem Diktat der Säure, aber Assoziationen von geraspelter Karotte und Sellerie machen aus Rixdorfer eine sinnvolle Alternative zum Herkömmlichen. Ebenfalls als eigenständige Erfrischung gibt sich „Now Sunny“ aus der Bio-Bierschmiede „Neumarkter Lammsbräu“. Sie erfreut durch nonchalante Nichtachtung der überlieferten Ordnung. Zitrone, die an Zitronat heranreicht, und Limette treiben die Orange vehement vor sich her.

Die hochmögend etikettierte „La Mortuacienne Orange“ ist eine Sache für sich. Die selbst ernannte Reine des Limonades, Königin, also, müsste man eigentlich dekantieren, so wenigstens Gunnar Gust, um Ihro Majestät gerecht zu werden. Sie umschließt einen Reigen von Zitrusfrüchten, darunter Clementine und ein Anflug von Pampelmuse, sowie seifige Aspekte und ist im Übrigen so geschlossen, dass man cum grano salis von einer Harmonie der Harmonie sprechen könnte. Ein leicht betäubender Abgang dürfte typisch sein für den französischen Stil. Überzeugender kam der Runde die ebenfalls aus Frankreich stammende „Orangina“ vor. Auch bei ihr wird der Orangengeschmack von Grapefruit, Mandarine und Zitrone umlagert, aber er wird eher davon kommentiert als behelligt. Zudem gefällt bei diesem vielleicht ein bisschen überpräsenten Klassiker das Fruchtfleischsediment.

Einen ganz ausgezeichneten Eindruck hinterließ „Hermann Original Brause Orange“. Dem Duft von Zitronenabrieb und einem ersten mineralischen und auch edelbitteren Geschmackseindruck folgte ein die Sinne belebendes Spektrum, das bis zur Bergamotte reicht.

Wer ihr genau hinterherschmeckt, vermag vielleicht auch Earl Grey in einer goldgelben Brause auszumachen, die wie keine andere den mediterranen Typ repräsentiert und locker auf den dritten Platz kam. Die Rede ist von „San Pellegrino Aranciata“, einer auch in der Mineralik überzeugenden Charakterlimo, die vielleicht Erwachsene mehr anspricht als Kinder. Das liegt vor allem an den Schalenauszügen, die ganz vorzüglich eingebunden sind und der Frische einen Boden geben. Die mandarinesken Anklänge sind ebenfalls so gekonnt eingebaut, dass sie auf die Züchtung der Orange aus Mandarine und Pampelmuse zu verweisen scheinen. Den vielen Zucker vergisst man darüber fast.

Die Zweitplatzierte „Bio-Zisch NaturOrange“ von Voelkel ist da nicht ganz so plakativ. Sie wendet die reglementierte Süße sogar in einen Vorteil, indem sie die leicht von Zitrone gestützte Frucht vor dem neutralen Hintergrund des Wassers ausbreitet. Nicht nur in dieser Hinsicht wurde sie lediglich von „Gerolsteiner Orangenlimonade“ übertroffen. Die Siegerin zeigt, dass Mineralwasserabfüller oft die besten Limonaden auf die Flasche ziehen. Saft, Mineral und friedliche Perligkeit stehen in vollendetem Einklang, so dass Florian Glauert von „gelockertem Saft aus vollreifen Früchten“ sprach. Richtig gute Limonade, das beweist die Spitzengruppe, ist also möglich. Wenn auch nicht unbedingt notwendig.

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