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Gut reagiert. Kadir Anlayisli, hier mit seiner Verlobten, hielt ein Polizeiauto an. Foto: dpa

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Zivilcourage: „Ich bin kein Held“

Als Kadir Anlayisli den mordverdächtigen Kanadier Luka Rocco M. in seinem Internetcafé erkennt, behält er die Nerven und holt die Polizei. Dafür wurde der Tippgeber jetzt in Neukölln geehrt.

Ihm ist es zu verdanken, dass der mutmaßliche Mörder Luka Rocco M. bald einem kanadischen Gericht vorgeführt wird: Am Dienstag wurde Kadir Anlayisli dafür von der Berliner Polizei geehrt. „Hellwach, sehr clever und couragiert“ habe Anlayisli reagiert, als der weltweit gesuchte Mordverdächtige am 4. Juni in das Internetcafé an der Karl-Marx-Straße spazierte, in dem Anlayisli arbeitet, sagte Polizeirat Thomas Drechsler in seiner Rede im Polizeiabschnitt 55 in Neukölln.

Es sei ein Schock gewesen, als M. mit einer dunklen Sonnenbrille plötzlich in seinem Laden gestanden hätte, sagte der 42-jährige Anlayisli, Kapuzenpulli, ausgewaschene Jeans. „Gerade hatte ich gelesen, dass er nach Paris geflohen ist.“ Anlayisli wirkte etwas verlegen angesichts des vielen Lobes.

Den Kanadier zu erkennen sei nicht so schwer gewesen. Er habe viel über den Fall gelesen. Weil er sich ganz sicher sein wollte, dass es sich wirklich um den gesuchten Kanadier handelte, verglich Anlayisli zunächst den Gast in seinem Café mit Bildern aus dem Internet. Als dieser noch einige Worte auf Französisch gesagt und sich dann Fahndungsberichte zu seinem Fall im Internet durchgelesen habe, war sich Anlayisli sicher.

Auf der Karl-Marx-Straße versuchte er zunächst einen Streifenwagen zu alarmieren. Der erste habe nicht angehalten, beim zweiten klappte es. Mehrere Polizisten, hauptsächlich Polizeischüler im dritten Lehrjahr, hätten den Verdächtigen daraufhin im Internetcafé angesprochen, sagt Polizeipressesprecher Stefan Redlich. Nur kurz habe der 29-jährige M. seine wahre Identität verborgen, dann sagte er: „You got me“ – ihr habt mich.

M. wird verdächtigt, Ende Mai in Montreal einen chinesischen Studenten mit einem Eispickel getötet und die Leiche zerstückelt zu haben. Der Pornodarsteller soll Teile der Leiche an politische Parteien in Ottawa sowie zwei Schulen in Vancouver verschickt haben. Der Torso des Toten wurde in einem Koffer nahe dem Wohnort M.s gefunden. Luka Rocco M. soll die Tat gefilmt und das Video ins Internet gestellt haben. M. wurde bereits kurz nach seiner Festnahme nach Kanada ausgeliefert.

„Ich bin kein Held“, sagte Anlayisli, der seit seiner Verhaftung Interviewanfragen aus der ganzen Welt bekommt. Auf die Urkunde, die ihm die Polizei heute zusammen mit einem 100-Euro-Gutschein für einen Elektronikmarkt übergab, ist er trotzdem stolz.

Hier habe jemand geglaubt, er könne in Neukölln mit seinen 170 Nationen untertauchen, sagt Bekir Yilmaz, Präsident der türkischen Gemeinde in Berlin. „Dass er entdeckt wurde, ist ein gutes Zeichen für die ganze Gesellschaft: Wir müssen genau hinsehen.“

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