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Berlin: Zoff an der Skipiste

Von Annette Kögel „Das gibt Bambule.“ Fred Worlitzsch, zweiter Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin-Süden der Kleingärtner, zeigt sich kampfeslustig.

Von Annette Kögel

„Das gibt Bambule.“ Fred Worlitzsch, zweiter Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin-Süden der Kleingärtner, zeigt sich kampfeslustig. Die Pächter der 399 Kleingärten, die jetzt der größten Wintersportarena Europas auf einem Neuköllner Areal nahe dem Hotel „Estrel“ weichen sollen, wollen ihre Lauben nicht so einfach räumen. Jetzt wird diskutiert, protestiert, demonstriert.

Ursprünglich sollte der Skizirkus aus der Retorte an den Sachsendamm nach Schöneberg ziehen. Doch nun entschieden sich die Investoren für Neukölln. Bezirks-Baustadträtin Stefanie Vogelsang (CDU) sieht in dem 50-Millionen-Euro-Projekt eine „Attraktion für Neukölln und die Bundeshauptstadt“. Rund 600 000 Besucher werden den Schätzungen zufolge jährlich vom 50 Meter hohen Gipfel auf der 360 Meter langen und bis zu 90 Meter breiten Kunstschnee-Piste nahe der Treptower Bezirksgrenze hinabschwingen. Die Senatsbehörden haben schon grünes Licht gegeben für das gigantische Freizeitsportprojekt. Nur die lokalen Kleingärtner sind reichlich unterkühlt.

Denn damit der erste Spatenstich auf dem Gelände zwischen Ahorn-, Kiefholz- und Friesenstraße im April nächsten Jahres getan werden kann, müssen Hunderte Kleingartenparzellen geräumt werden. Betroffen sind etwa die Kolonien Stadtbär, Alt-Ruhleben und Helmutstal. Montagabend trafen sich die Laubenpieper zur ersten Lagebesprechung. Doch sie werden bei ihrem Protest gegen den von den früheren Ski-Assen Rosi Mittermaier und Christian Neureuther unterstützten Retorten-Berg wohl ins Schliddern kommen. Stadträtin Vogelsang: „Das Gebiet ist als Industrievorhaltefläche ausgewiesen, die Pacht-Verträge gelten deshalb immer nur jährlich, und das ist den Kleingärtnern auch bewusst.“

Den Pächtern werde aller Voraussicht nach bald gekündigt und Ersatzgelände angeboten. Zum einen winke ihnen eine Entschädigung des Bundes – auf dem Gelände wird auch die Stadtautobahn weitergebaut. Zum anderen wollen die Investoren „bis zu 8000 Euro pro Parzelle als Entschädigung zahlen“, sagt Michael Wehran, Pressesprecher für das Schneeprojekt der Unternehmensgruppe unter Federführung der Neusser Projektgesellschaft „Fechner & Herden“ mit Beteiligung des Tourismusfonds der österreichischen Sparkassen und einer Versicherung.

Die Kunstbergwelt mitsamt Skizirkus wie Hütten und Snowboard-Veranstaltungen wird dem Vorbild „Allrounder Winterworld“ in Neuss nacheifern – der bislang größten, von „Fechner & Herden“ konstruierten Ganzjahres-Winterlandschaft. Bei der Gesellschaft schneien Interessenten aus der ganzen Welt – von USA bis Dubai – herein, doch nun bekommt erst einmal Berlins traditioneller Arbeiterbezirk den Zuschlag. Derzeit werde an den letzten Vertragsdetails getüftelt, sagt Wehran. Frau Vogelsang zufolge gibt es beispielsweise derzeit Gespräche mit Treptow wegen der Verkehrsströme.

Ursprünglich hatte sich ihr Kollege aus Schöneberg-Tempelhof auf die „sehr originelle“ Skiarena gefreut, die „sicher weit über die Grenzen Berlins hinaus Besucher anziehen und auch den Tourismus weiter ankurbeln wird“. Doch es soll Statikprobleme wegen der Autobahnnähe gegeben haben, auch deshalb entschieden sich sie die Bauherren letztlich für das vom Liegenschaftsfonds angebotene Grundstück in Neukölln. Dort soll es ab dem Jahre 2004 per Vierersessel- und Schlepplift sowie Transportfließband in der Röhre hinauf gehen – und talwärts über zerstobenen Kunstschnee ähnlich Crushed Ice im Cocktailglass.

Die Investoren rechnen damit, dass sich die Kunstbergwelt rentiert – im Ruhrgebiet existieren schließlich „Winterworld“ und „Alpincenter Bottrop“ – eine nur 50 Kilometer entfernte Halle von Marc Giradelli – auch bereits seit Jahren nebeneinander.

Auch in Berlin gibt es bereits eine künstliche Winterwelt: Die Ski- und Snowboardschule „Gletscher“, eine vergleichsweise viel kleinere Halle mit Laufbändern in Pankow. Die Kunstschnee-Konkurrenz fürchtet Betreiber Dirk Langusch nicht: „Wir sprechen ein ganz anderes Publikum an als die Macher dieses Spaßbades für Skifahrer.“

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