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Myriam Quiel ist in dieser Woche auf einer Zeitreise zurück in Berlin.

© privat

Zu Besuch aus Teheran: "Berlin fühlt sich an wie eine Kleinstadt"

Soll sie nach sieben Jahren im Iran wieder mit Mann und Kind in die alte Heimat Berlin ziehen? Vor dieser Frage steht die freischaffende Künstlerin Myriam Quiel. In dieser Woche absolviert die 40-Jährige einen Testbesuch.

Ich lebe seit fast sieben Jahren in Teheran, aber in dieser Woche bin ich zurück in Berlin. Das fühlt sich ein bisschen so an, als wäre ich auf einer Zeitreise. Natürlich, die Stadt hat sich stark verändert, aber für mich ist vieles beim Alten geblieben. Ich treffe meine Freunde, und wir gehen in den Park oder fahren raus in den Garten. Nur dass jetzt noch mein Mann und meine Tochter dabei sind.

Für uns ist diese Woche ein wichtiges Experiment, weil wir immer mal wieder mit dem Gedanken spielen, nach Berlin zurückzuziehen. In diesen Tagen probieren wir aus, wie es sich anfühlt, als Familie hier zu leben. Das ist ja ganz anders, als wenn man hier ohne Anhang unterwegs ist.

Jetzt gefällt es mir gut in Prenzlauer Berg, früher habe ich in Kreuzberg gelebt. Wir wohnen in ganz normalen Wohnungen von Freunden von Freunden, die gerade in Urlaub sind. Das ist natürlich ideal, weil wir so richtig in das Leben im Kiez eintauchen können.

Die Entscheidung ist trotzdem schwierig. Man kann Teheran und Berlin eigentlich nicht vergleichen, weil die Unterschiede so groß sind. In Teheran leben fast 20 Millionen Menschen, dagegen fühlt sich Berlin an wie eine Kleinstadt. Ich war 2006 zum ersten Mal im Iran. Obwohl mein Vater Iraner ist, wusste ich bis dahin so gut wie nichts über das Leben dort. Eigentlich wollte ich nur vier Wochen bleiben und meinen Wurzeln nachspüren. Aber Teheran hat mich von Anfang an so fasziniert, dass ich unbedingt zurückkehren wollte. Als ich dann noch meinen Mann dort kennengelernt habe, sind wir nach einem gemeinsamen Jahr in Berlin nach Teheran gegangen.

Die Zensur im Iran ist berechenbar

Der Alltag im Iran ist jedenfalls ganz anders als das Bild, das man davon hat. Vom Regime bekommt man so gut wie nichts mit. Als freischaffende Künstlerin kann man in Teheran zu guten Bedingungen arbeiten, trotz der Zensur. Die gibt es natürlich, aber sie ist berechenbar: Akte gehen nicht, sehr politische Kunst auch nicht. Die Galeristen können ziemlich genau einschätzen, was geht, was gerade noch geht und was definitiv nicht mehr geht. Dafür herrschen sonst eher weniger Vorschriften und Regeln als hier. Dadurch ergibt sich auch eine Art von Freiheit.

Eigentlich möchte ich Teheran noch nicht verlassen. Als Künstlerin zu arbeiten, ist in Berlin oft schwieriger. Hier schließen die Galerien, in Teheran eröffnen ständig neue. Die Kunstszene ist extrem lebendig und nicht so zersplittert wie die in Berlin. Außerdem möchte ich noch ganz viel sehen und mein Persisch weiter verbessern. Aber für unsere Tochter würde ein Umzug nach Berlin viel mehr Freiheit bedeuten. So wie hier zusammen mit anderen Kindern aus dem Kiez aufzuwachsen und durch die Straßen zu ziehen, das ist in Teheran unmöglich.

In unserer Rubrik „Von Woche zu Woche“ erzählen Leserinnen und Leser des Tagesspiegels, was sie in der neuen Woche vorhaben und in ihrem Leben bewegt. Wollen Sie auch mitmachen? Einfach Mail an berlin@tagesspiegel.de. Der Text wurde aufgezeichnet von Susanne Grautmann.

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