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Berlin: Zu Besuch bei Kennedy: Atomschutzspiele im Kindergarten

Sich ohne Ziel durchs Berlinale-Programm treiben zu lassen, führt manchmal zu den überraschendsten filmhistorischen Verknüpfungen. Zum Beispiel am Montagabend: Recht spät "Thirteen Days", der sich dokumentarisch gebende Spielfilm über die Kuba-Krise, mit zwei edlen Kennedy-Brüdern und einem besonnenen, von Kevin Costner gespielten Ratgeber auf der einen, verschwörerischen Pentagon-Intriganten auf der anderen Seite.

Sich ohne Ziel durchs Berlinale-Programm treiben zu lassen, führt manchmal zu den überraschendsten filmhistorischen Verknüpfungen. Zum Beispiel am Montagabend: Recht spät "Thirteen Days", der sich dokumentarisch gebende Spielfilm über die Kuba-Krise, mit zwei edlen Kennedy-Brüdern und einem besonnenen, von Kevin Costner gespielten Ratgeber auf der einen, verschwörerischen Pentagon-Intriganten auf der anderen Seite. Davor aber, besser kann es nicht passen, in der Kirk-Douglas-Hommage der Frankenheimer-Film "Seven Days in May": Ein edler Frieden suchender Präsident, der abrüsten will, ein Betonkopf-General, der deswegen einen Putsch vorgereitet, gespielt von Burt Lancaster, dazwischen Kirk Douglas als loyaler Colonel. Kennedy selbst hat das Projekt befürwortet; als der Film startete, war er bereits tot.

Und nun sitzt er einem tatsächlich gegenüber: John F. Kennedy. Genau genommen natürlich nur Bruce Greenwood - der Mann, der Kennedy war. Und später, nach dem Gespräch, schon draußen auf dem Flur, läuft einem auch noch Steven Culp über den Weg, dessen Aussehen keinen Zweifel daran offen lässt, wen er in "Thirteen Days" darstellt: Robert Kennedy. Nach Bob Hoskins, der in "Enemy at the Gates" Nikita Chruschtschow spielt, haben wir nun also alle der Kontrahenten von 1962 beisammen - ein kurioser Nebeneffekt dieses Festivals, ja, man kann schon sagen, ein historischer Moment.

An derartige Größe ist aber momentan, in einem Appartement des "Four Seasons", noch nicht zu denken. Nicht, wenn der Hauptdarsteller des Politdramas, Mr. JFK, plötzlich in Schwyzerdütsch parliert, den Ball, den ihm ein Reporterkollege ahnungslos zugeworfen hat, dankbar aufnehmend. 13 Monate hat er nahe Zürich gewohnt, dank seinem Vater, Dozent für Geologie an der ETH Zürich, an der schon Einstein lehrte. Und wenn das auch schon ein Vierteljahrhundert her ist, kommt Greenwood doch noch immer in der fremden Sprache gut zurecht, ob mit eidgenössischem Zungenschlag oder in dem, den Kennedy in seinem berühmten "Ich bin ein Berliner" gebrauchte. Ja, der Satz sei auch in Amerika bekannt, doch mehr in scherzhafter Verwendung. Beim Berliner denken Amerikaner nun mal zuerst an Donuts.

Persönliche Erinnerungen an die Kuba-Krise? Der jüngere Steven Culp wird später auf dieselbe Frage eher zögernd antworten, Greenwood aber erinnert sich genau, an Atomschutzübungen im Kindergarten, alle schnell in den Keller, zum "Duck and cover"-Spiel. Das gab es sogar als Song - "duck and cover, duck and cover".

Einen Monat Zeit hatte er sich vorzubereiten, seitdem besitzt er nun eine richtige Kennedy-Bibliothek. Aber er hat nicht einfach versucht, den Präsidenten nachzuahmen, ging zuletzt mehr instinktiv und nach Gefühl vor. Seine erste Erkennntis: Bei Gesprächen in kleiner Runde war Kennedys Stimme viel tiefer gewesen als bei Reden, nur dieser höhere Ton aber blieb den Menschen im Ohr.

Mit Kennedys Bruder Edward hat er nicht gesprochen, wohl aber mit Kennedys ehemaligem Pressesprecher Pierre Salinger. Zwar habe der außer einigen Anekdoten für ihn wenig Neues erzählt, aber dieses Erlebnis, einem gegenüberzusitzen, der damals dabei gewesen ist ...! Die Kennedys wurden dadurch für ihn viel menschlicher.

Der Film, so erzählt Greenwood, war der erste, den George W. Bush im Weißen Haus zeigen ließ, mit den Kennedys als Gästen. Die Aufmerksamkeit, die "Thirteen Days" in Amerika erregte, ist für ihn auch ein Indikator des wieder stärkeren Bewusstseins für die atomare Bedrohung, gerade vor dem Hintergrund des Streits um den Raketenschutzschild, der das Gleichgewicht der Kräfte bedrohe.

Vor den Kennedys hat der Schauspieler den höchsten Respekt. Ohne deren Leistung säße man wohl nicht hier. Das klinge wahrscheinlich furchtbar amerikanisch, gibt Greenwood gerne zu, aber das kann ihm egal sein: Schließlich ist er Kanadier. ac

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