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König der Kneipiers.

© David Heerde

Zu Besuch bei Peer Kusmagk: Für immer Dschungelkönig

Vor drei Jahren saß der Kreuzberger Peer Kusmagk auf einem Holzthron in Australien. Wie lange hält der Ruhm seines Titels? Ein Besuch mit ihm beim Public Viewing.

Der König trägt Schürze. Steht da in seinem Laden, La Raclette, hinter der Theke, die Luft voll Käse, das Gesicht gerötet im Feuerschein des Kamins und sagt zur Begrüßung: „Hallo, ich bin der Peer.“ Erzeugt gleich Nähe, prüft den Inhalt einer Weinflasche, geht noch einmal an einen der Tische, Vollkontaktgastronom, und fragt dann: „Lust auf ’ne Dschungelprüfung?“ Es gibt Froschschenkel. Direkt aus Frankreich. Und während Peer Kusmagk das Fleisch von den Knochen pult, spricht er über Delikatessen und kulturelle Unterschiede. Über gebratene Insekten in Thailand, wo er gerade war. Und über den Wendler, der am ersten Tag im Dschungel ein tausendjähriges Ei hinunterwürgen musste: „Für die Chinesen wäre das ganz normal.“

Womit wir dann auch, keine fünf Minuten hat Peer Kusmagk, Medienprofi, dafür gebraucht, mitten im Thema sind. Dschungelcamp. Ich bin ein Star holt mich hier raus. Läuft ja gerade, achte Staffel, wieder auf RTL. Mit den üblichen Nebengeräuschen. Trash und Kult.

Kusmagk kennt das. Er gehört zur Familie, Dschungelclan.

Er, Kusmagk, 38 Jahre alt, ist vor drei Jahren in das Camp im australischen Urwald gezogen, als einer von denen, die man erst googeln musste, um zu wissen, worin genau ihr Starsein nun besteht.

Kusmagk war mal Darsteller in der RTL-Daily-Soap „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“, er war im DSF Gameshowansager und Frühstücksfernsehenmoderator bei Sat1.

Er hatte sich dann für ein paar Jahre aus dem Fernsehen zurückgezogen, für einen aus Kreuzberg, Arbeitersohn, sagt er, war das zu viel Öffentlichkeit. Hatte sein Restaurant eröffnet, sich damit einen Lebenstraum erfüllt. Peer Kusmagk träumt viel. War, das kann sehr schnell gehen, weitestgehend in Vergessenheit geraten.

Dschungelcamp als Experiment

Bis er im Dschungel saß. Einen schwarzen Zylinder auf dem Kopf, einen Affen im Arm. Und weinte. Während alle anderen schrien. Saß tatsächlich einfach nur da, Melancholiker mit Hut, während den anderen Kandidaten nach und nach die Menschlichkeit entglitt. Dann weinte er wieder. Am Ende wurde er von den RTL-Zuschauern zum Dschungelkönig gewählt, Blumenkrone und Holzthron. Der Stern nannte ihn eine moralische Instanz. Der Spiegel sprach von einem Triumph des netten Lethargikers. Und Kusmagk, der nun in jedes Mikrofon sprechen durfte, sagte Sätze wie: „Das gefährlichste Tier im Dschungel ist der Mensch.“

Die Sendung ist für ihn auch heute noch ein Experiment. Er würde jederzeit wieder teilnehmen.

Kusmagk, da macht er gar keinen Hehl draus, ist ein Teil der Verwertungsmaschinerie Privatfernsehen. „Ich liebe Trash“, sagt er, „ich mag Reality-Fernsehen.“ Er ist damit groß geworden. Vor kurzem hat er als erster Mann die Vox-Show Shopping Queen gewonnen. Peer Kusmagk ist jetzt auch Shopping King. Er sagt: „Ich gehe halt nur noch auf Königstitel.“ Und natürlich lacht er jetzt. Zum ersten Mal so richtig. Berliner Hinterhof-Lachen, bisschen dreckig, ziemlich ehrlich. Kusmagk hat sich trotz allem eben auch eine angenehme Distanz bewahrt, dieses Augenzwinkern, das man braucht, damit einem nicht ständig die Tränen kommen.

Er ist deshalb genau die richtige Begleitperson, um sich die volle Dschungeldröhnung zu geben. Liveshow. Aber nicht hier, sagt Kusmagk. Nicht bei ihm im Laden. Don’t shit, where you eat. Also geht es mit dem Taxi nach Friedrichshain. Public Viewing in der Bar „Zum schmutzigen Hobby“. Hier lässt sich auch, ganz beiläufig, überprüfen, welche Halbwertzeit Ruhm besitzt, was der Titel des Dschungelkönigs noch wert ist.

„Der Name könnte ja schon nicht passender sein“, sagt Kusmagk, „denn Dschungelcamp gucken ist doch genau das: ein schmutziges Hobby. Keiner gibt zu, dass er das macht, aber am Ende haben acht Millionen eingeschaltet.“

Kusmagk hat seine eigene Radiosendung

Draußen aufblasbare Energy-Säule. 103,4. „Ach“, sagt Kusmagk, „die Konkurrenz.“ Er hat seit 2012 eine eigene Show bei RS2. Sie trägt seinen Namen. Immer samstags. Immer morgens. Die früheste Late-Night Deutschlands. Auch so ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. „Ich bin mit dem Rias aufgewachsen“, sagt er, Westberliner Kind, „da ist das doch eine Ehre.“

Es war das eine Mal, dass sich dieses Dschungelkönigding wirklich ausgezahlt hat. Kusmagk hatte danach auch einen Vertrag mit ProSieben Sat1, durfte ein paar Sendungen wegmoderieren, an die er sich heute selbst kaum noch erinnern kann. Tiermessies außer Kontrolle, Amor am Limit. Selbst für ihn zu viel Trash, zu viel Reality. „Wenn man da rauskommt, dann ist man ein halbes Jahr lang eine Mischung aus Bundespräsident und Karnevalsprinz“, sagt Kusmagk, König, Volksnarr, „du wirst zu jeglichem Kram gefragt, weil du zweieinhalb Wochen bei zehn Millionen Menschen im Wohnzimmer warst. Aber genauso schnell vergeht das auch wieder.“ Schon beim nächsten Karneval trägt ein anderer die Blumenkrone.

In der Bar, gedimmtes Rotlicht, Klappstühle vor Leinwand, bleibt der König unbemerkt, kann in Ruhe bestellen. Schaut auf die Karte, sagt dann: „Ich nehme einen Long Island Ice Tea.“ Kunstpause, Augenzwinkern, „weil der wie Larissa Marolt ist. Am Anfang ziemlich süß. Aber hinterher macht er dir nur noch Kopfschmerzen.“ Larissa Marolt, so viel ist schon nach einem Tag klar, ist die gut gecastete Modelzicke, die Hassperson dieser Staffel. „Sie wird leiden“, sagt Kusmagk, „weil die Menschen jemanden wie sie leiden sehen wollen.“

Kusmagk ist gut vorbereitet. Er schaut immer noch gerne zu. Und spricht jetzt, Erinnerungen am Lagerfeuer, ein paar echte Veteranensätze. „Der Psychologe hat mir damals gesagt, Peer, du wirst sehen, ab Tag acht ändert sich alles. Tag acht ist die Grenze.“ Nach sieben Tagen Mangelernährung und Isolationshaft verwandeln sich die Kandidaten, etwas zerbricht, etwas Neues entsteht. „Im Grunde sind das ja Foltermethoden“, sagt Kusmagk, nippt an seinem Long Island Ice Tea. Wer das aushalten, wer da als Gewinner rausgehen will, muss vor allem sich selbst treu bleiben.

Kusmagk, das spürt man schnell, kann ohnehin gar nicht anders, als er selbst zu sein. Ein Darsteller allenfalls, ein Schauspieler sicher nicht. Einfach einer von hier. Ehrensache deshalb auch, dass Kusmagk, hier mal ’n Witz, da mal ’n Flachs, das hebt die Stimmung, sein jeweiliges Gegenüber immer gleich in den Schwitzkasten der verbalen Verbrüderung nimmt. Er hält sich nicht lange mit Förmlichkeit auf. Peer. Du. Fertig. Er sagt: „Das im Dschungel war immer die Person Peer Kusmagk.“ Schlusswort. Während der noch verbleibenden Sendezeit versucht er dann noch herauszufinden, wer eigentlich diesmal in seiner Hängematte schläft. Rechts oben, zwischen den Palmen. Kurz vor Ende holt er sein Handy aus der Tasche, wählt die auf dem Fernseher eingeblendete Nummer mit Endziffer, als plötzlich ein junger Mann vor ihm steht: „Kennen wir uns nicht?“ Kusmagk sagt: „Ich bin der Peer.“ Streckt ihm die Hand hin, aber der junge Mann schüttelt nur den Kopf. „Sorry, dann habe ich dich verwechselt.“ Geht. Der König, er ist jetzt Zuschauer.

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