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Sind Berlins Busfahrer zu freundlich?

© dpa

Zu freundliche Busfahrer: Nehmt mein Geld!

„Gehen Sie durch“, „Später“, „Egal“: Wer in Berlin Bus fährt, kennt das vielleicht – Fahrer wollen nicht kassieren. Was mal aus Faulheit, mal aus Freundlichkeit geschieht, erfreut zunächst. Doch bei Fahrpreiserhöhungen hört der Spaß auf.

Diesmal hat er tatsächlich gezwinkert. Nichts hat er gesagt, seine Hände nicht mal vom Lenkrad genommen. Obwohl ich ihm die 2,40 Euro abgezählt unter die Nase hielt. Trotzdem gab es keinen Fahrschein für mich, nur dieses Zwinkern, das unmissverständlich heißen soll: Geh durch. Ich will dein Geld nicht.

Meine Bilanz ist beeindruckend. Gerade jetzt, bei einer Witterung, da BVG und S-Bahn mit zwangsversetzten Radfahrern richtig Geld scheffeln könnten, geht die Kassierdisziplin gegen null. Mit der steigenden Anzahl der Fahrgäste sinkt die Lust des Fahrers, seine Kassenknöpfe zu drücken. „Gehen Sie durch“, sagt er. „Die Kontrolleure sind gerade weg.“ Oder nuschelt einfach ein „Später“ dahin. Wie bitte? „Sie können später bezahlen.“ Aha. Also ab nach oben und entspannt die Freifahrt genießen.

Beim ersten Mal freue ich mich noch über die nette Geste. Natürlich ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass ein Berliner Busfahrer offenbar mehr an der Stimmung seiner Fahrgäste interessiert ist, als sein Ruf es suggeriert. Klar: Kleine Freundlichkeiten wie der Verkauf einer Kurzstrecke, obwohl das angesagte Ziel deutlich weiter entfernt liegt als die im Bus erlaubten sechs Stationen, sind immer willkommen. Kulanz und ein gutes Miteinander können schließlich mehr wert sein als ein verlässlicher Nahverkehr. Ab und zu!

Doch dann passiert es immer und immer wieder. „Geh durch“, „Später“, „Egal“. Die Gesten der Busfahrer liegen irgendwo zwischen Nettigkeit, Faulheit – und Sexismus, sagen zumindest meine männlichen Kollegen, die sich diskriminiert fühlen, weil ihnen das nie passiert. Und mir andauernd. Je öfter mich der Busfahrer durchwinkt, ob mit oder ohne Augenzwinkern, desto weniger freue ich mich darüber. Im Gegenteil: Ich beginne mich ernsthaft zu ärgern. Warum, frage ich mich, wollt ihr mein Geld nicht?

Folge der laxen Haltung ist, Überraschung, eine Fahrpreiserhöhung

Busfahrer sind oft netter, als ihr Ruf es suggeriert.
Busfahrer sind oft netter, als ihr Ruf es suggeriert.

© Thilo Rückeis

Grundsätzlich gilt in dieser Stadt ja: Wer nicht zahlen will, muss auch nicht. Das ist das Ergebnis einer nichtrepräsentativen Testreihe, die ich in den Wintermonaten – selbstverständlich immer mit gültiger Monatskarte in der Tasche – durchgeführt habe. Im Bus eine abgelaufene Fahrkarte kurz in die Luft gehalten, einen alten Studentenausweis vorgezeigt – fertig. Oder, ganz klassisch, einen 50-Euro-Schein anbieten – wechselt einem niemand. Bei den S-Bahn-Fahrten zur Arbeit bin ich noch kein einziges Mal kontrolliert worden. Dabei sollte die von einem gewissen Herrn Mehdorn kaputtgesparte S-Bahn doch jeden Cent nehmen, der ihr angeboten wird. Auch in der weniger anfälligen U-Bahn, in der die Kontrollteams gefühlt häufiger vorbeikommen, reicht es meiner Erfahrung nach, einen beliebigen Fetzen Papier hochzuhalten, um die Ordnungshüter zu besänftigen. Wenn Wochentag und Uhrzeit einigermaßen hinhauen, akzeptiert der gemeine Kontrolleur so ziemlich jeden abgelaufenen Fahrschein.

Und dabei möchte ich doch gern bezahlen! Wer einmal in Peru oder Vietnam versucht hat, mit dem Bus an ein Ziel zu gelangen, der lernt den geregelten deutschen Nahverkehr zu schätzen. Einigermaßen pünktlich, günstig und nicht allzu lebensgefährlich. Eine ordentliche Dienstleitung, die es eben nicht kostenlos gibt. Die zu erschleichen, mögen viele lustig finden. Schließlich steht Schwarzfahren für die meisten ungefähr auf einer Kriminalitätsstufe mit CD-Brennen und Filme-im-Internet-Anschauen. Doch das kann es nicht sein! Wo kommen wir denn da hin!

Denn, Überraschung, was folgt aus dieser laxen Haltung der Busfahrer und Kontrolleure? Zwar dürften die geplanten Fahrpreiserhöhungen im Sommer wieder einmal eher mit „Kosten für Strom und Diesel, aber auch fürs Personal“ zu tun haben, auf die BVG-Chefin Sigrid Nikutta bereits im Dezember in einem Tagesspiegel-Interview hinwies, als mit Verdienstausfällen durch Schwarz- und Freifahrten. Aber wie soll mit den Ticketpreisen die Zahlmoral steigen, wenn die Kassiermoral so schlecht ist?

Im Juli werde ich dem Busfahrer 2,60 Euro abgezählt unter die Nase halten. Mit ein bisschen Glück sagt er: Da reicht die Kurzstrecke. Die dann übrigens 1,50 Euro kosten soll.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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