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Zug der Erinnerung

© dpa

Zug der Erinnerung: Bahn auf Kollisionskurs

Um den Zug der Erinnerung gibt es weiter Streit. Ab Sonntag soll er in Berlin zu sehen sein. Wo, ist noch unklar. Die Bahn will die mobile Ausstellung zur Deportation nicht im Hauptbahnhof und schlägt den Bahnhof Grunewald vor.

Wo genau der „Zug der Erinnerung“ ab kommendem Sonntag in Berlin halten wird, ist weiter unklar. Die Deutsche Bahn AG hatte am Dienstag überraschend den Weg dafür frei gemacht, dass der Zug am S-Bahnhof Grunewald halten könne. Dieser liegt neben dem Deportationsmahnmal „Gleis 17“, an dem der Zug der Erinnerung nach den ursprünglichen Wünschen der Organisatoren halten sollte. „Dieses Angebot steht“, sagte ein Bahnsprecher. Jetzt liege es an den Organisatoren, den Vorschlag anzunehmen.

Bei der Frage ob der Zug am Hauptbahnhof halten könne, ist eine gütliche Einigung wohl ausgeschlossen. Die Bahn macht geltend, dass durch den „Zug der Erinnerung“ die An- und Abfahrt von rund 30 Verkehrszüge gestört werde. „Aufgrund der Gleisknappheit können wir diese Verbindungen nicht anders organisieren“, sagte Bahnsprecher Jens-Oliver Voß. Außerdem entstünden durch eine Dampflokomotive im Hauptbahnhof „erhebliche Sicherheitsrisiken“. „Die Dampfentwicklung der Lokomotive würde die Feuermelder auslösen. Die können wir schlecht abschalten“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Die Organisatoren, der Verein „Zug der Erinnerung“, wollen diese Begründungen nicht gelten lassen und haben die Bundesnetzagentur eingeschaltet, die das Schienennetz verwaltet. Diese prüft nun, ob die Einwände der Bahn gerechtfertigt sind. Falls nicht, könnte der Verein „Zug der Erinnerung“ gerichtlich durchsetzen, in den Hauptbahnhof einfahren zu dürfen. Wann die Bundesnetzagentur ihre Entscheidung fällen wird, ist noch offen.

Ungeklärt ist auch noch die Frage, wer das Projekt finanziert. Die Kosten für die Nutzung der Schienen durch den Verein belaufen sich auf rund 100 000 Euro. Die Bahn gibt an, die Kosten nicht erlassen zu können, da sie gesetzlich vorgeschrieben seien und keine Ausnahmeregelungen vorgesehen sind. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) forderte daraufhin, die Bahn solle den fälligen Betrag an den Verein spenden und die Kosten so ausgleichen. Die Bahn hatte dies bisher abgelehnt und eine Spende in gleicher Höhe an eine jüdische Einrichtung vorgeschlagen. Die verkehrspolitischen Sprecher aller Fraktionen im Bundestag lehnten dies gestern ab. Bislang wird der Zug allein durch Spenden finanziert.

Gestern meldeten sich weitere Kritiker zu Wort. So forderte die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Lala Süsskind, in einem Schreiben Bahnchef Hartmut Mehdorn „mit Nachdruck“ auf, alles zu unternehmen, um das Gedenkprojekt in Berlin „ohne Einschränkungen verwirklichen zu können“.

Der Verein „ Zug der Erinnerung“ hat für Sonnabend eine Demonstration vor dem Brandenburger Tor angekündigt. Als Redner werden neben KZ-Überlebenden und Vertretern von Opferverbänden auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke), der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, der Vorsitzende des Zentralsrats der Sinti und Roma, Romani Rose und Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) erwartet. Anschließend ist ein Schweigemarsch zur Bahnzentrale am Potsdamer Platz geplant. Heute erreicht der „Zug der Erinnerung“ Rathenow, seine letzte Station, bevor er in Berlin erwartet wird.

Julian Hässler

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