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Berlin: Zug fahren, vom Transrapid träumen

Kaum macht der ICE Tempo, hat man in Hamburg neue Magnetbahn-Pläne

Für einen Brief von Berlin nach Hamburg sind 30 Stunden auch heute noch relativ wenig. Für die Reise eines Menschen über dieselbe Strecke waren 30 Stunden dagegen schon 1844 relativ viel. Deshalb wurde eine Eisenbahnverbindung gebaut, die die Postkutsche ablösen sollte. Weil damals weder Bauarbeiter noch Großtrappen eine Lobby hatten, waren die 280 Kilometer Gleis plus 20 Bahnhöfe nach zwei Jahren fertig. Auch damals war es ein 12. Dezember, an dem die Prominenz den Jungfernzug auf dem Bahnsteig empfing. Gefeiert wurde die auf neun Stunden verkürzte Reisezeit. Ab diesem Sonntag nun werden 90 Minuten das Maß der Dinge sein.

In den 158 Jahren dazwischen blieb nur eines unverändert: Die öde Landschaft vor dem Zugfenster. Dagegen wurde die Geschichte der Strecke nicht erst mit dem Transrapid spannend. Dank neuer Technik – Schnellzugdampfloks! – wurde die hoch profitable Verbindung schon vor ihrer Verstaatlichung 1885 auf Touren gebracht. Man wollte ja auch bei Reichskanzler Otto von Bismarck glänzen, dem der Verein der Deutschen Eisenbahnverwaltungen einen Salonwagen geschenkt hatte. Nach fünfstündiger Fahrt erreichten die Züge aus Hamburg den Lehrter Bahnhof. Den schon 1884 stillgelegten Hamburger Bahnhof eröffnete der Kaiser 1905 als Verkehrs- und Baumuseum.

1932 startete der fischgesichtige „Fliegende Hamburger“, der mit Durchschnittstempo 125 durchs Land dieselte und luxuriöser aussah als er war. Nun ließen sich Hin- und Rückfahrt an einem (Arbeits-) Tag schaffen, und die 2:18 waren nicht nur Zeitangabe, sondern Gütesiegel. Es sollte bis 1997 dauern, bis die Bahn die Strecke wieder so schnell schaffte. Dazwischen lagen Truppentransporte für den Krieg, die Demontage eines Gleises durch die Sowjets und der Verfall der Strecke während der deutschen Teilung. Wer konnte, der flog oder nahm das Auto. Daran änderte sich auch nach der Wende nichts, weil die Bahn die Trasse in Erwartung des Transrapid nur notdürftig ausbaute. Die 1992 angelaufenen Planungen für die Magnetbahn wurden nach acht Jahre langem Streit um Kosten und Fahrgastzahlen gestoppt. Während das Prestigeprojekt der deutschen Wirtschaft nach Schanghai entschwebte, wurde der Weg frei für den über 650 Millionen Euro teuren Ausbau der Eisenbahntrasse für Tempo 230.

Doch jetzt wird an der Elbe wieder vom Transrapid geträumt: Der Hamburger Handelskammer schwebt gar ein „Eurorapid-Netz“ vor: Die Transrapid-Verbindung zwischen Berlin und Hamburg soll Knoten eines Netzes werden, das bis nach Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm, Warschau, Prag und Budapest reicht. Auch Klaus Wowereit kann sich einen Transrapid von Berlin nach Warschau vorstellen, wie er jüngst erklärte.

Auch für die Bundesregierung bleibt der Transrapid ein Thema: Die FDP-Bundestagsfraktion will vom Kabinett in einer Großen Anfrage die Vor- und Nachteile der Magnetbahn-Technik im Vergleich zur konventionellen Eisenbahn wissen. Die Antwort steht noch aus.

Während in Deutschland nur eine Verbindung zwischen Münchner Hauptbahnhof und Flughafen geprüft wird, hoffen die Transrapid-Planer noch auf eine Strecke zwischen Amsterdam und Groningen. Die niederländische Regierung scheint aber zu einer Eisenbahn-Verbindung zu tendieren. Ein Votum für den Transrapid wäre zwar auch für Deutschland ein Signal, doch Deutsche Bahn und Verkehrsministerium winken ab: Das Geld reiche kaum für die Instandhaltung des bestehenden Schienennetzes.

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