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Berlin: Zum 5. Geburtstag kam der italienische Patient Rennfahrer Zanardi bei Feier

im Unfallkrankenhaus Marzahn

„Do you want me to dance?“, fragt Alex Zanardi die wartenden Kameraleute, nachdem er sich mit seinen Krücken aus dem Auto gehievt hat und ihnen über die Wiese entgegengelaufen ist. Der Italiener ist an diesem Sonntag zum zweiten Mal im Unfallkrankenhaus Berlin. Das erste Mal war er vor knapp einem Jahr hergebracht worden: im Rettungshubschrauber, nachdem ihm beim US-Cart-Rennen auf dem Lausitzring ein Konkurrent mit Tempo 300 ins Auto gekracht war. Zanardi verlor beide Beine, aber sein Leben konnten die Ärzte retten. Fast ein medizinisches Wunder, hieß es nach dem Unfall. „Ein großes Geschenk“, sagt der 35-Jährige. An diesem Wochenende ist er aus Bologna nach Marzahn gekommen, um bei der Feier zum fünfjährigen Bestehen des Unfallkrankenhauses dabei zu sein.

Zanardi symbolisiert, wofür der 1997 eingeweihte, rund 250 Millionen Euro teure Bau steht: für immens teure High-Tech-Medizin, die vor allem Schwerstverletzte retten soll. Natürlich gelingt es nicht immer – etwa bei den vier Brandopfern, die im Frühjahr nach dem Anschlag von Djerba nach Marzahn geflogen worden waren und deren Organe unter der verbrannten Körperoberfläche trotz aller Technik versagten. Aber Marzahn ist bundesweit eine der ersten Adressen für schwere Fälle. Verunglückte Autofahrer aus Mecklenburg werden ebenso hierher geflogen wie schwer verletzte Selbstmordkandidaten aus Berlin und Umgebung. Die Auslastung des Unfallkrankenhauses liegt im Mittel bei 94 Prozent. Die Rettungsstelle mit ihren vielen verschiedenen Fachärzten gilt als herausragend.

Doch der Ruhm hat Nachteile. Beispielsweise stundenlange Wartezeiten für leichter Verletzte, weil die schweren Fälle vorgehen und in der Notaufnahme jährlich 41 000 statt der von der Klinikleitung erwarteten 14 000 Patienten versorgt werden. Ein Dauerbrenner sind auch die Arbeitszeiten der rund 250 Ärzte. 20 Stunden am Stück sind fast normal, gelegentlich ist auch von 30-Stunden-Schichten zu hören. Zum 1. August wurden Stechuhren eingeführt, um einen genaueren Überblick zu bekommen. Die Geräte sind umstritten, weil sie nach der täglichen Höchstarbeitszeit von 10,75 Stunden einfach abschalten. Die Arbeitszeit des Pflegepersonals kann damit meist erfasst werden. Aber für die Ärzte sei die Regelung „schwierig“, sagt Klinikchef Axel Ekkernkamp. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes müssen Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit berechnet werden. Würde der Spruch in deutsches Arbeitsrecht umgesetzt, wären nach Berechnungen der Berliner Ärztekammer allein in der Hauptstadt 1600 zusätzliche Stellen notwendig. Klinikchef Ekkernkamp sagt: „Ein ausgeschlafener Inkompetenter nützt uns und den Patienten nichts. Da ist uns eine nicht ganz so ausgeschlafene Spitzenkraft lieber.“

Die Verhandlungen um die vollständige Übernahme des Unfallkrankenhauses durch die aus Unternehmerbeiträgen finanzierten Berufsgenossenschaften sind laut Ekkernkamp noch im Gang. Noch wird die Klinik gemeinsam von Land und Genossenschaften geführt. Doch egal, wie die Verhandlungen ausgehen werden: Sorgen um die Zukunft der Klinik macht sich in Marzahn niemand. Stefan Jacobs

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