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Berlin: Zum Geburtstag bekam die Witwe Willy Brandts eine Liedertafel mit dem Bundespräsidenten

Manchmal laufen verschiedene Fäden an einem Punkt zusammen, und dahinter wird ein Bild sichtbar, das die Dinge in einen Zusammenhang rückt. Die Ständige Vertretung liegt im Schatten des Bahnhofs Friedrichstraße, der einmal ein Symbol war für die Teilung der Stadt.

Manchmal laufen verschiedene Fäden an einem Punkt zusammen, und dahinter wird ein Bild sichtbar, das die Dinge in einen Zusammenhang rückt. Die Ständige Vertretung liegt im Schatten des Bahnhofs Friedrichstraße, der einmal ein Symbol war für die Teilung der Stadt. Hier wurde gestern der 80ste Geburtstag von Rut Brandt gefeiert - im Stile einer Überraschungsparty, zu der die drei Söhne Peter, Matthias und Lars, Wegbegleiter aus verschiedenen Lebensphasen, eingeladen hatten. An der Seite des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt hat sie einst den Mauerbau erlebt, als Frau des Bundeskanzlers dann die leise einsetzende Entspannung. Der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer würdigte in einer kurzen Geburtstagsadresse die Jubilarin als "ein Beispiel, wie man Grenzen überwindet und Brücken von unten baut".

Wer gerne wissen möchte, was Bundespräsident Johannes Rau und Ehefrau Christina, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der frühere Justizminister Horst Ehmke und die ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz und Walter Momper gestern mittag so gegen halb eins taten, hätte die Antwort auch in der StÄV gefunden: Sie sangen Lieder für das Geburtstagskind, "Wilde Gesellen" zum Beispiel und "Die Gedanken sind frei".

Zuvor hatte Johannes Rau, der als Vertreter fürs "Freundesland" redete, ganz klar gemacht, wie essenziell freundschaftliche Bande sind. Er erinnerte an seinen ersten Abend im Hause Brandt, es ging um die Notstandsgesetze, Grass war da, Böll, er selbst damals jung, in einer Phase, "wo man noch nicht weiß, wohin mit den Händen", sah sich am Ende von der Hausfrau freundlich zu Gesellschaftsspielen eingeladen. Das empfand der junge Rau wie einen "bürgerlichen Ritterschlag", und er gab zu, das aus dieser Runde resultierende Gefühl des Angenommenseins immer wie ein Geschenk empfunden zu haben. Am Ende zitierte er, vorbildlich überparteilich, Adenauer, dem man einst zum Geburtstag gewünscht hatte, er möge 100 Jahre alt werden, und der darauf geantwortet habe: "Warum wollen Sie der Barmherzigkeit Gottes so enge Grenzen setzen?" Viele gute Wünsche gab es, aber auch briefliche, etwa von Richard von Weizsäcker.

StäV-Wirt Friedel Drautzburg war als Zeremonienmeister in seinem Element: "Wenn gleich das Telefon wieder klingelt, muss sie abnehmen, dann ist es zum dritten Mal der Bundeskanzler." Der norwegische Botschafter sprach, die Frau des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, Karin Clement, und Rut Brandts Lebensgefährte seit 19 Jahren, der dänische Publizist Niels Nørlund, der ihr, wie er der Festgemeinde verriet, noch jeden Tag seine Liebe bekundet.

Bei solchen Gelegenheiten gibt es allerlei sehr menschliche Erinnerungen, häufiger war von dem Bonner Lokal Ria Maternus die Rede, in dem Rut Brandt entscheidende Stunden verbracht hat, in dem sich auch Johannes und Christina Rau zu ihrem ersten Date trafen.

Verschiedene Teile der Bonner und der Berliner Republik und auch der alten DDR verschmolzen hier aufgrund alter Verbindungsfäden, was sicher nicht nur für die anwesenden Politiker ein aufmunternder Anblick war, mit dabei waren neben Verwandten und Freunden auch ehemalige Sekretärinnen, Hausmädchen, Hausmeister und Chauffeure. Immer wieder schien hervor, welche Eigenschaften Rut Brandt zu einer Integrationsfigur gemacht haben: Fröhlichkeit, die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, Sensibilität, Offenheit. Und mehr als ein Gratulant erwähnte die Vorfreude auf ihr nächstes Buch. Mit der Arbeit daran hat sie bereits begonnen.

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