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Berlin: Zum Scheitern verurteilt: Das neue Schulgesetz

Von Gerhard Schmid

Das neue „Schulreformgesetz“ bestimmt: Jede Schule trägt selbst die Verantwortung dafür, dass die Schüler das Ziel des jeweiligen Bildungsgangs erreichen – unabhängig von den individuellen Voraussetzungen, die sie mitbringen. Jede Schule ist für die Erfüllung des Bildungs und Erziehungsauftrags verantwortlich. Zur Erreichung dieser Ziele hat sich jede Schule ein Schulprogramm zu geben und ist zu kontinuierlicher Qualitätssicherung verpflichtet. Kriterien und Merkmale dafür sind von allen 850 Berliner Schulen selbst zu entwickeln. Bravo! Nur sind daran schon ganze Generationen von Erziehungswissenschaftlern gescheitert. Wie sollen das denn die Schulen plötzlich auf eigene Faust bewältigen können?

Nachdem PISA ergeben hat, dass in der Mehrzahl der Bundesländer in Deutschland deutliche Defizite in der Bildung und der Erziehung bestehen, sollen nun mehr schulische Selbstständigkeit und Eigenverantwortung alles richten. Die Schulaufsicht des Staates beschränkt sich überwiegend auf Beratung sowie auf die Durchführung von Schulleistungsuntersuchungen und Vergleichsarbeiten. Nur: Vom Wiegen wird die Sau nicht fett. Durch das Messen von Schülerleistungen allein wird kein besserer Unterricht erteilt und werden keine Bildungs- und Erziehungsprobleme gelöst.

Die Schule soll alles allein bewältigen - der Staat zieht sich aus seiner Verantwortung zurück. Tugenden wie Höflichkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Fleiß, Pflichtbewusstsein und Disziplin sollen vermittelt werden, aber in den Erziehungs- und Bildungszielen, die das Gesetz nennt, kommen sie nicht vor. Die ethnische und kulturelle Identität der Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache soll geachtet werden, die deutsche Kultur braucht nur „kennen gelernt“ zu werden, eine Identifizierung mit der christlich-abendländischen Kultur – geschweige mit der deutschen – wird nicht angestrebt.

In diesen selbstständigen Schulen wird Grundsätzliches nicht von Personen entschieden, die dann Verantwortung tragen, sondern von einem Gremium: der Schulkonferenz. In ihr sind Schulleiter und Lehrkräfte in der Minderheit. Die Schulen sollen politisiert werden. Schüler- und Elternvertretungen können ihre Interessen am Schulleiter vorbei gegenüber den Schulbehörden vertreten, die Schüler sogar bildungspolitische Stellungnahmen abgeben. 1968 lässt grüßen!

Was sind nun die wirklichen Probleme der Schulen? Geringer Stellenwert von Schule und Bildung, hohe Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte und Schulleiter, keine Verwaltungskräfte, zu wenig Geld für Sachmittel und zur Erhaltung der Schulgebäude, wachsende Zahl verhaltensauffälliger und lernunwilliger Schüler und bildungsferner Eltern. Die Schulen können an den Anforderungen dieses Gesetzes nur scheitern, weil sie systematisch überfordert werden.

Gerhard Schmid ist Oberschulrat und Vorsitzender des Forums Schulpolitik und berufliche Bildung der CDU Berlin

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