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Berlin: Zum Wohl der Seele

Die ökumenischen Gottesdienste in der Charité stehen allen Patienten offen

Pünktlich hinzufinden ist nicht einfach. Das Hochhaus der Charité ist zwar nicht zu übersehen, aber der Weg durch die Luisenstraße voller Ablenkungen. Rechts steht das Anatomische Theater. Dann erinnert eine Bronzetafel an Robert Koch. Und ein paar Meter weiter wurde Wilhelm Pieck 1953 von der Volkskammer zum Präsidenten der DDR gewählt, steht in Granit gemeißelt. Dann kommt der Blumenladen, und man steht vor dem Bettenhaus der Charité. 1982 gebaut, 86 Meter hoch, 21 Stockwerke, um die 1000 Betten. Eine Betonburg für tausend Kranke, Gesundende, Sterbende.

Der Pförtner weist in den 1. Stock, wo die Krankenhausseelsorge sitzt. Glück gehabt, die Tür zum Raum der Stille und des Gebets steht noch offen. Schnell in die zweite Reihe huschen geht nicht, es gibt nur eine. Und die Dame in sakralem Weiß begrüßt sowieso jeden mit Handschlag. Eine Frau? Am 4. Sonntag im Monat sind doch die Katholiken mit dem ökumenischen Gottesdienst dran? Doch dann stellt sie sich auch schon als katholische Pastoralreferentin Marina von Weichs vor, die seit 19 Jahren Krankenhausseelsorge macht. Die Gottesdienstbesucher tragen Trainingsanzüge und Verbände, zwei sind mit dem Rollstuhl da. Ein blaues Wandgemälde mit elektrischem Sternenhimmel dominiert den intimen Raum, der den ganzen Tag für Betende aller Religionen offen steht. Im Regal liegen Rosenkränze und Gebetsteppiche nebeneinander, und am Boden zeigt ein blauer Pfeil die Gebetsrichtung nach Mekka an.

Die Seelsorgerin predigt konzentriert darüber, wie Gott die Menschen sicher durch alle Höhen und Tiefen des Lebens führt. So wie Josua im Alten Testament das Volk Israel als Nachfolger Mose durch alle Nöte ins gelobte Land leitet. Immer wieder unterbrechen Pausen Gottesdienst und Predigt, die jeder mit eigenen Gedanken und Fürbitten füllen kann. Musik kommt aus einem blauen Kassettenrekorder und aus den immer sicherer singenden Kehlen der Kranken.

Fünf evangelische und katholische Seelsorger arbeiten hier, sagt Marina von Weichs später, und stehen Kranken und Mitarbeitern nicht nur religiös bei. „Bevor ihre Familie eintraf, hatte ich neulich eine Stunde lang eine weinende türkische Mutter im Arm, deren Sohn gerade gestorben war. Es gibt hier Situationen, wo alle konfessionellen Grenzen enden.“ Charité heißt Nächstenliebe.

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