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Dietmar Woidke (SPD), Innenminister seit Oktober 2010, startet eine neue Überprüfungswelle für Beamte – weil es endlich eine gesetzliche Grundlage gibt. Foto: dapd

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Zurück aus der Vergangenheit: Wo Stasi-Spitzel Zukunft hatten

Die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit war in Brandenburgs Behörden nie so richtig wichtig. Doch irgendwann kam alles hoch.

Es war der Brandenburger Weg, jener vom früheren Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) auf Konsens und Ausgleich getrimmte Pfad in „die kleine DDR“. In keinem anderen der neuen Bundesländer kamen frühere Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) so leicht in den neuen Behörden unter wie hier. Im Landtag fing es an. Die Kommission, die die Abgeordneten 1991 auf frühere Spitzeldienste überprüfte, missachtete ihre eigenen Maßstäbe. Wegen unklarer Aktenlage auf Wiedervorlage gelegte Fälle blieben bis 2011 unangetastet. 20 Jahre dauerte es, bis das Landesparlament sich selbst wieder einer Stasi-Überprüfung unterzog. Stolpe, dessen Kontakte als Kirchendiplomat zur Staatssicherheit einen Untersuchungsausschuss beschäftigten, setzte alles auf eine Karte, deutete, wie es die Bildungsministerin und spätere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler sagte, die Angriffe auf ihn als Angriff auf die Ostdeutschen, machte den Streit um DDR-Altlasten zu einem Ost-West-Thema.

Inzwischen untersucht eine Enquetekommission diese Nachwendejahre. Die Kommission hat einiges zu tun. Denn was in der Politik schiefging, setzte sich in den Behörden fort. In Stolpes Ampelregierung aus SPD, FDP und Grünen stand es jedem Ministerium frei, wie es mit früheren Stasi-Spitzeln verfuhr. Ganz rigide ging Birthler als bündnisgrüne Bildungsministerin mit Stasi-Spitzeln um, später brach sie mit Stolpe. Bei der Polizei war allein eine frühere Stasi-Tätigkeit kaum Grund für eine Entlassung, solange man es nur zugab. Und wer es nicht zugab, konnte sich lange Zeit sicher sein, unentdeckt zu bleiben: 242 hauptamtliche und 1238 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter wurden in den Landespolizeidienst übernommen.

Im Frühjahr 2009, als SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck noch mit der CDU regierte, kam das alles wieder hoch – Berichte, Enthüllungen, Skandale über frühere Stasi-Spitzel und Beamte der politischen Polizei in Diensten Brandenburgs, Wachenleiter, Pressesprecher, ranghohe Beamte und fast ein Drittel der Beamten beim Staatsschutz des Landeskriminalamtes. Der damalige Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) aber sah keine rechtliche Handhabe, gegen die früheren Spitzel vorzugehen. Erst jetzt, mit den neuen Regelungen des Stasi-Unterlagengesetzes, startet Innenminister Dietmar Woidke (SPD) eine neue Überprüfungswelle für Beamte, wenn sie zusätzliche oder neue Führungspositionen übernehmen. Konsequenzen haben ihre Spitzeldienste, wenn sie diese verschwiegen haben bei ihrer Übernahme. Und sie sollen keine Führungsposten mehr besetzen.

Woidke jedenfalls fand deutliche Worte für den Stasi-Check Anfang der 90er Jahre. „Ich bin mitunter überrascht, welche Leute da eingestellt worden sind.“ Aber die Brandenburger Realität übertrifft diesen Umstand mit eigener Ironie: Jenes Mitglied der Kommission, die Anfang der 90er Jahre DDR-Polizisten vor der Übernahme auf eine Stasi-Tätigkeit überprüfte, steht heute selbst unter Verdacht. Andreas Schuster (52), Landeschef der Gewerkschaft der Polizei und Kritiker des neuen Kurses unter Woidke, wird derzeit wegen neuer, aber lückenhafter Aktenfunde erneut überprüft.

Die Zahl belasteter Richter und Staatsanwälte nimmt sich dagegen gering aus. Aber einige der erst 2011 bekannt gewordenen Fälle sind brisant, weil diese Richter teilweise über Entschädigungsklagen von SED-Opfern verhandelten.

Ja, die Opfer. In keinem anderen Bundesland wurden sie so schlecht betreut. Um sie kümmert sich jetzt Ulrike Poppe, seit März 2010 ist die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Brandenburg ist das letzte neue Bundesland, dass diesen Posten geschaffen hat. Poppe sagt, sie komme mit der Opferberatung gar nicht hinterher, der Nachholbedarf sei einfach zu hoch.

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