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Berlin: Zurück bleibt eine große Lücke

Schaulustige rätseln über Unglück am Hauptbahnhof

Der Hauptbahnhof zieht immer Blicke auf sich – und nun erst recht. Passanten recken die Hälse, um einen Blick auf die Lücke zu erhaschen, die der herabgestürzte Stahlträger hinterlassen hat. An der Absperrung auf der Südseite des Gebäudes stellt jemand stellvertretend für alle die alles bewegende Frage: „Was wäre passiert, wenn da am Donnerstagabend jemand entlanggegangen wäre?“ Die Antwort ausmalen mag sich niemand.

Die Polizei hat den Unglücksort weitflächig abgesperrt – wer da mit Koffern beladen von der Reise kommt und zum Taxi will, muss wegen des Umwegs gut bei Kräften sein. Nicht erklärbar sei ihm der Unfall, rätselte einer aus der Taxifahrergilde, „so ein Stahlträger ist doch keine sturmrelevante Fläche wie etwa Glasscheiben, Holzteile oder Dächer“.

Wie berichtet, hatte Orkan Kyrill das noch nicht mal ein Jahr alte und viel gepriesene neue Schmuckstück Berlins gefährlich beschädigt – donnerte doch an seiner Außenfassade aus 40 Metern Höhe ein zwei Tonnen schwerer und 8,40 Meter langer Stahlträger in die Tiefe.

Auch „der arme Architekt“ wurde gestern von einem Zuschauer bedauert, der sich um die Zukunft des Bahnhofserbauers sorgt. „Wieso?“, gibt jemand zurück, „wenn wir Mist bauen, sind wir auch dran.“ Wo der Fachmann rätselt, da wundert sich der Laie: Unverständnis herrscht bei den Schaulustigen, weshalb der Stahlträger nicht verschweißt oder anderweitig befestigt worden war.

Dies holen nun hoch oben auf dem Bahnhofsdach zwei behelmte Männer nach, indem sie Stahlbleche anbringen. Unter den Blicken der Zuschauer turnen sie an der beschädigten Stahlkonstruktion herum – unten ist nur leises metallisches Hämmern zu vernehmen. Dass die wie ein riesiges Gitter vor der Glasfassade angebrachten Stahlträger nur Schmuckelemente sind, gibt ein älterer Mann den Neugierigen an der Absperrung ungefragt kund. „Vielleicht, damit kein Flugzeug in den Bahnhof reinfliegen kann“, spekuliert er über den etwaigen architektonischen Hintergrund.

Im Hauptbahnhof selbst herrscht normaler Wochenendbetrieb. Mehr zu tun haben lediglich die Frauen und Männer von der Auskunft, weil der Verkehr noch nicht so rollt, wie er soll. Im Eingangsbereich klopfen zwei Männer in grünem Loden an einem der stählernen Pfeiler herum. „Na, Angst haben wir nicht“, sagte einer der beiden Oberpfälzer, die die Grüne Woche nach Berlin gelockt hat, im breitesten Dialekt. Das mit dem runtergestürzten Stahlträger an der Bahnhofsfassade sei aber schon ein Ding, worüber man nachdenke. „So was braucht alles Pflege“, sagt der eine, „auch so ein Stahlpfeiler wie der hier hält nicht ewig.“ Etwa bei Erdbeben und so, beim Wetter müsse man ja heute mit allem rechnen, sind sich die beiden Herren einig. Von einem Tsunami habe man vorher auch nicht gedacht, dass er solche Folgen haben könne. hema

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