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Zurückhaltung von V-Mann-Akten: Neue Vorwürfe gegen Henkel und die Berliner Polizei

Die Berliner Polizei verteidigt den Umgang mit V-Mann-Akten zum NSU. Auch Innensenator Henkel steht weiter in der Kritik. Ein Abgeordneter stellt derweil Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats.

Erneut gibt es Vorwürfe, nach denen die Berliner Polizei dem Generalbundesanwalt Akten zum V-Mann Thomas S. verweigert hat, damit diese nicht beim NSU- Bundestagsuntersuchungsausschuss landen. Mit in der Kritik steht Innensenator Frank Henkel (CDU), der dem Ausschuss nicht alle Materialien zukommen ließ. Henkel und sein Sprecher wollten sich am Sonntag dazu nicht äußern und verwiesen auf die Polizei.

Polizeisprecher Stefan Redlich bestätigte aber ein Schreiben des Berliner Staatsschutzchefs Oliver Stepien vom 3. April, in dem er unter anderem ausführte, warum er der Bundesanwaltschaft nicht wie angefordert die kompletten Akten über den V-Mann übergeben könne. Im wesentlichen begründete Stepien es damit, dass sich die Polizei gegenüber dem V-Mann zur Verschwiegenheit über dessen Identität verpflichtet habe. „Dies ist ein ganz normaler Vorgang im Umgang mit V-Personen“, sagte Redlich. Bis heute habe dieser die Polizei nicht davon befreit, auch wenn man bereits im Mai diesbezüglich an ihn herangetreten sei. Stepien habe in dem sechsseitigen Schreiben an die Bundesanwaltschaft durchaus betont, zum NSU-Komplex „offen zu kommunizieren“. Aus diesem Grund verfasste die Polizei ein so genanntes Behördengutachten, in dem die Aussagen des V-Manns zur Neonaziterrorzelle NSU wiedergegeben wurden. Die Bundesanwaltschaft habe am 27. März Einblick in die kompletten Akten gehabt.

Bildergalerie: Die NSU-Verbindungen nach Berlin:

Die Bundesanwaltschaft mochte den Vorgang gestern ebenfalls nicht weiter kommentieren. Es sei ihrerseits alles gesagt: „Die Bundesanwaltschaft hat auf das Verhalten der Berliner Behörden im Hinblick auf Aktenvorlagen beim Untersuchungsausschuss keinen Einfluss genommen.“ Jetzt müsse wieder zur eigentlichen Arbeit zurückgekehrt werden, nämlich der „bestmöglichen Aufklärung des NSU-Komplexes“. Die Bundesanwaltschaft sei in eine Diskussion hereingezogen worden, die sie nicht gesucht habe. Henkel hatte in der vergangenen Woche auf einer Sondersitzung des Innenausschusses gesagt, man habe mit der Bundesanwaltschaft verabredet, dass diese den Untersuchungsausschuss über den Berliner V-Mann informiert.

Sowohl der Linken-Fraktionschef Udo Wolf wie auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, üben heftige Kritik daran, dass Henkel seiner Mitteilungspflicht gegenüber dem Untersuchungsausschuss nicht nachgekommen sei. Lux sagte, dass der Innensenator und die Polizei „komplett betriebsblind“ gehandelt hätten. Linksfraktionschef Wolf warf Henkel vor, lediglich auf die Polizei zu verweisen. „Das ist eine Frage der politischen Verantwortung“, sagte Wolf.

Strafanzeige wegen Geheimnisverrats

Laut dem innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Robbin Juhnke, ist es „logisch unsinnig“, dass es für Henkel oder die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers Gründe gäbe, Akten von 2002 zurückzuhalten. Tatsächlich waren weder Henkel noch Koppers noch der amtierende LKA-Chef mit dem Vorgang von damals betraut – und diejenigen, die theoretisch politische oder dienstliche Konsequenzen aus dem V- Mann-Vorgang ziehen müssten, sind nicht mehr im Dienst.

Die Opfer der NSU:

Dass die Bedenken bei der Polizei und beim Staatsschutz angemessen und begründet waren, schließt Juhnke aus der Vorgehensweise des Generalbundesanwalts. Der habe, wie aus einer Erklärung hervorging, die V-Mann- Akten auch erst an den Untersuchungsausschuss weitergegeben, nachdem Beeinträchtigungen laufender Ermittlungen nicht mehr befürchtet werden mussten.

Unterdessen hat der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber am Sonnabend Strafanzeige wegen Geheimnisverrats gestellt. Offenbar seien von Parlamentariern Inhalte aus vertraulichen Sitzungen gezielt lanciert und Journalisten zugeleitet worden, sagte Schreiber. Auslöser war unter anderem, dass in den vergangenen Tagen Details über DNA-Proben, die eine mögliche Verbindung zwischen der Berliner Rockerszene und dem NSU belegen könnten, bekannt wurden.

Über den Rocker- NSU-Komplex hatte Henkel am Dienstag in einem nicht-öffentlichen Teil des Innenausschusses berichtet. Schreiber sieht undichte Stellen nicht nur auf Landesebene, sondern auch bei den Politikern im Bundestag. „Ich kann mir schon ausmalen, aus welcher Ecke im Parlament“ die Inhalte weitergegeben wurden, schreibt Schreiber auf seiner Facebook-Seite. „Ich bin entsetzt. Es gefährdet nicht nur die Ermittlungen, sondern macht sehr deutlich, dass andere im Parlament eine Profilierungssucht haben. Widerlich!!!!“ Wen Schreiber meint, wollte der Abgeordnete auf Anfrage des Tagesspiegels dann aber nicht sagen. Seine Anzeige richtet sich gegen Unbekannt.

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