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Seit 1992 werden die Bezirksbürgermeister durch Zählgemeinschaften gewählt. Das politische Bezirksamt könnte nun eine neue Chance bekommen.

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Zusammensetzung der Berliner Bezirksämter: Neue Debatte um das politische Bezirksamt

Politische Koalitionen nicht nur im Senat, sondern auch in den Bezirksämtern: Dafür startet die FDP einen neuen Anlauf. Rot-Rot-Grün ist nicht abgeneigt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das politische Bezirksamt bekommt eine neue Chance. Es geht um die Frage, ob nicht nur die Bezirksbürgermeister, sondern auch die Stadträte von politischen Mehrheiten in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gewählt werden. Das würde klare Verantwortlichkeiten schaffen und bunte „Zwangsgemeinschaften“ entsprechend der Fraktionsstärke in den Bezirksämtern verhindern.

Seit Jahren gilt das Thema als politisch tot. Die letzte ernsthafte Debatte wurde 2009 gestoppt, weil die Berliner SPD auf einem Landesparteitag überraschend beschloss, die geltenden Regelungen beizubehalten. Mit 106 gegen 101 Stimmen fiel das Ergebnis zwar äußerst knapp aus, trotzdem geriet die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament zur Änderung der Berliner Verfassung mit diesem Beschluss wieder außer Reichweite.

Zustimmung bei FDP, CDU und in Regierungsfraktionen

Jetzt aber könnte die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus das Zünglein an der Waage werden. Zumal die Sozialdemokraten dem politischen Bezirksamt wieder aufgeschlossen gegenüberstehen. Die Liberalen haben zwei Parlamentsanträge erarbeitet, um die Bildung von Koalitionen in den Bezirksämtern möglich zu machen.

Dafür müssten die Landesverfassung und das Bezirksverwaltungsgesetz geändert werden. Der FDP-Verwaltungsexperte Florian Swyter bestätigte dem Tagesspiegel, dass es im Vorfeld der Parlamentsberatung informelle Gespräche mit den anderen Fraktionen gegeben habe. Aus den Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne vernehme er grundsätzlich positive Signale, sagte Swyter. Aber auch in der CDU-Fraktion gebe es Abgeordnete, die eine Reform der Bezirksamtsbildung für sinnvoll hielten.

Wesener warnt vor "Schnellschüssen"

Der Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Daniel Wesener bestätigte, „dass die Koalitionsfraktionen offen in eine solche Diskussion hineingehen“. Er warnte aber vor „Schnellschüssen“. Eine solche Verfassungsänderung müsse in Ruhe vorbereitet und die Bezirke einbezogen werden. Voraussichtlich werden die beiden FDP-Anträge im März im Abgeordnetenhaus eingebracht und dann in den Fachausschüssen beraten. Die Liberalen sprechen in der Antragsbegründung von einem „wichtigen Beitrag für die funktionierende Stadt“.

Die geltende Proporzvergabe der Stadtratsposten führe zu Blockaden und Stillstand in der Bezirkspolitik. Mit der Besetzung der Bezirksämter durch politische Mehrheiten könne der „Gestaltungsanspruch der Entscheidungsträger“ effektiver umgesetzt werden und die Verantwortung für Entscheidungen leichter zugeordnet werden.

Bezirksbürgermeister durch Zählgemeinschaften seit 1992

Es handele sich nicht um eine „Lex AfD“, versicherte Swyter. Die nächste Wahl fände in Berlin erst 2021 statt und die aktuelle Zusammensetzung der Bezirksämter bleibe unberührt. Im Ergebnis der Berliner Wahlen 2016 sind in den Bezirksämtern SPD, CDU, Grüne, Linke und AfD vertreten. In Pankow machen die Vertreter von fünf Parteien im Bezirksamt mehr oder weniger gemeinsam Politik. In fünf weiteren Bezirksämter sind jeweils vier Parteien präsent.

Von 1971 bis 1992 wurden alle Posten in den Bezirksämtern nach der Stärke der Fraktionen in den BVVen verteilt. Dieses Proporzsystem wurde immer wieder infrage gestellt, aber es blieb erhalten. Seit 1992 werden die Bezirksbürgermeister von politischen Mehrheiten in der BVV (Zählgemeinschaften) gewählt. Auf diese Weise sollten damals Bürgermeister der PDS (heute: Linke) verhindert werden – was nicht gelang.

Die Linken sind bis heute keine glühenden Befürworter des politischen Bezirksamts, aber auch nicht grundsätzlich dagegen. Grüne und FDP befürworten die Besetzung der Bezirksämter durch Koalitionsmehrheiten schon immer. In der SPD scheint das Thema wieder mehrheitsfähig zu sein, und bei den Christdemokraten gibt es unter den Bezirkspolitikern und Verwaltungsfachleuten einige Befürworter. Die AfD lehnt eine solche Verfassungsänderung strikt ab.

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