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Zuschüsse für Berlin: Karlsruhe plädiert für Neuordnung der Länderfinanzen

Das Bundesverfassungsgericht hält angesichts der Klage des Landes Berlin auf finanzielle Unterstützung durch den Bund eine gänzliche Neuordnung der Finanzverteilung für möglich. Es gehe nicht um die Nöte der Hauptstadt, sondern um ein generelles Verteilungsproblem.

Karlsruhe - Im Streit um Milliarden-Zuschüsse des Bundes für das Land Berlin hält das Bundesverfassungsgericht eine Neuordnung der gesamten Finanzverteilung in Deutschland für möglich. Der Vizepräsident des Gerichts, Winfried Hassemer, sagte am Mittwoch in Karlsruhe: «Das ist nicht nur eine Sache zwischen Berlin und dem Bund, sondern eine Sache der Republik.» Auch Richterin Lerke Osterloh machte klar, dass es nicht allein um die Nöte der Hauptstadt, sondern um ein Verteilungsproblem gehe.

Die Bundesregierung forderte das Gericht zu klaren Anweisungen in seinem Urteil auf. Ohne strikte Vorgaben seien Regelungen zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern im Bundesrat nicht durchsetzbar, sagte Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) zum Abschluss der Anhörung in Karlsruhe. «Mit einem bloßen Gesetzgebungsauftrag kommen wir im Umgang mit den Ländern keinen Millimeter weiter.» Dies zeige die Erfahrung mit der Umsetzung früherer Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich.

Gegen massiven Widerstand der Bundesregierung und vieler Länder will das mit 60 Milliarden Euro verschuldete Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht milliardenschwere Finanzhilfen einklagen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte: «Wir können nicht zulassen, dass Berlin zum Armenhaus der Republik wird.» Die Hauptstadt will vor dem Gericht die Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage durchsetzen. Das ist die Voraussetzung für weitere Zuwendungen des Bundes. Zur Zeit erhält Berlin mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr vom Bund und einigen Bundesländern.

Verfassungsrichterin Osterloh, die als «Berichterstatterin» den Prozess vorbereitete, wies auf die «trübe Verfassung» der Finanzen des Bundesstaates hin. Wichtig bei der Feststellung der Haushaltsnotlage sei der relative Aspekt, also die «wesentliche Differenz zwischen der Durchschnittslage aller Länder und dem Notlagen-Land». Je verbreiteter die Notlagen seien, desto schwieriger sei die Anerkennung einer Haushaltsnotlage. Daher stelle sich die Frage, ob die komplexe Lage weitere gesetzesgeberische Maßnahmen und Regelungen nötig mache.

Wowereit argumentierte, Berlin sei aus eigener Kraft nicht in der Lage, sich aus der extremen Haushaltsnotlage zu befreien. Zwei historische Gründe seien entscheidend für die Überschuldung der Hauptstadt: Der Zweite Weltkrieg und die Teilung Deutschlands. «Berlin wäre sonst das wirtschaftliche Zentrum Deutschlands», meinte er.

Finanzstaatssekretärin Hendricks wies die Forderungen entschieden zurück. Der Bund und die anderen Länder hätten ebenfalls kein Geld, die Hauptstadt müsse noch mehr sparen und Ausgaben kürzen. «Der Bund ist bereits an der Grenze zur Selbstgefährdung angelangt.» Sie warf Berlin vor, sein Ausgabenniveau liege «weit jenseits der Vergleichsmaßstäbe». Eine Neuregelung des Finanzausgleichs sei vorstellbar, wenn das Gericht Vorgaben mache, die sich auch im Bundesrat, der vieles bisher verhindert habe, durchsetzen ließen.

Das Urteil wird erst in einigen Monaten verkündet, möglicherweise aber vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September. Der Berliner Senat hatte die Klage auf Anerkennung der Haushaltsnotlage im Herbst 2003 eingereicht. 1992 hatten bereits Bremen und das Saarland erfolgreich geklagt. Beide Länder reichten inzwischen erneute Klagen auf finanzielle Unterstützung ein.

Vertreter aller Bundesländer verfolgten die Verhandlung. Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen wiesen die Forderungen Berlins strikt zurück. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) warnte vor einem Erfolg der Verfassungsklage. «Wenn der Klage stattgegeben wird, dann brechen überall die Dämme», sagte er der «Sächsischen Zeitung» (Donnerstag). Bald würden alle Länder klagen. Stattdessen müssten die Bundesländer zu mehr Sparsamkeit gezwungen werden. Auch der Vertreter Nordrhein-Westfalens kritisierte, Berlin habe sein Sparpotenzial noch nicht ausgeschöpft. (tso/dpa)

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