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Berlin: Zwangsumzüge sollen die Ausnahme sein

Hartz IV: Senat beendet Streit um angemessene Wohnungen. Nicht die Größe zählt, sondern die Miethöhe

Langzeitarbeitslose, die in einer großen, aber preiswerten Wohnung leben, müssen keinen Zwangsumzug fürchten. Darauf haben sich gestern Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) geeinigt. Beide hatten lange um angemessene Wohnungen und Mietkosten für Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) gestritten.

Die Angemessenheit der Miete wird nach der gestrigen Absprache zum ersten Mal nach einem Jahr ALG-II-Bezug überprüft. Anschließend wird es noch eine Übergangsfrist von einem halben Jahr geben. Damit soll den Arbeitslosen die Chance gegeben werden, einen Job zu finden, bevor sie umziehen müssen, sagte Sarrazins Sprecher Matthias Kolbeck. Noch keine Einigung wurde in der Frage erzielt, wie hoch die Miete genau sein darf, die das Land künftig übernimmt. Dies sollen die Verwaltungen in dieser Woche klären. Denn die Ausführungsvorschrift, die die Angemessenheitskriterien regelt, soll nach den Vorstellungen der beiden Senatoren am nächsten Dienstag den Senat passieren. In Berlin erhalten 490 000 Menschen Arbeitslosengeld II.

Während sich die beiden Senatoren in den vergangenen Wochen einig waren in der Frage, dass Massenumzüge in der Stadt möglichst vermieden werden sollen, rangen sie um die Details der Verordnung. Vor allem das Kriterium der Wohnungsgröße war umstritten. Während Knake-Werner sich lediglich an der Miethöhe orientieren wollte, war Sarrazin der Auffassung, dass auch die Wohnungsgröße als Kriterium für Angemessenheit gelten muss. In diesem Punkt ist der Finanzsenator jetzt Knake-Werner entgegengekommen. Die Größe der Wohnung ist kein Kriterium mehr; dafür sollen auch die Betriebs- und Heizungskosten in die Bemessung eingeschlossen werden.

Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit werden in Berlin pro Haushalt Unterbringungskosten von bisher durchschnittlich 306 Euro aufgewendet. Bei Ein-Personen-Haushalten belaufen sich die Warmmieten von ALG-II-Empfängern im Schnitt auf 246 Euro. „Das zeigt, dass auch die früheren Arbeitslosenhilfebezieher sich bisher um billige Wohnungen bemüht haben“, sagte Finanzverwaltungssprecher Kolbeck. Damit liegt das Mietniveau bei ALG-II-Empfängern in der Regel nicht höher als bei Sozialhilfebeziehern. Für diese gilt bei einem Single-Haushalt eine Kaltmiete bis zu 227,50 Euro als angemessen.

Aufgrund dieser Daten widersprach Kolbeck Schätzungen des Berliner Mietervereins, der eine Zahl von 10 000 bis 30 000 drohenden Zwangsumzügen „nicht für überzogen“ hält. Die Mietkosten sind einer der größten Posten bei den Sozialausgaben. Derzeit zahlt Berlin 700 Millionen Euro, weitere 300 Millionen Euro trägt der Bund.

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