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Berlin: Zwanzig Joints in der Tasche bleiben künftig straffrei Der Besitz von zehn Gramm Cannabis wird in Berlin nicht mehr verfolgt. Drogenberater, Schulexperten und CDU halten den Senatsbeschluss für falsch

Der Besitz von maximal zehn Gramm Cannabis zum Eigenverbrauch bleibt in Berlin künftig straffrei, beschloss gestern der Senat. Die Menge reicht für etwa zwanzig Joints.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Besitz von maximal zehn Gramm Cannabis zum Eigenverbrauch bleibt in Berlin künftig straffrei, beschloss gestern der Senat. Die Menge reicht für etwa zwanzig Joints. Bei bis zu 15 Gramm kann „in der Regel“ auch von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Von dieser Regelung ausgenommen ist laut Justizsprecherin Andrea Boehnke Drogensitz zwischen zehn und 15 Gramm in Schulen, auf Schulhöfen oder in der Nähe von Kindereinrichtungen wie Spielplätzen. Bisher war der Besitz von maximal sechs Gramm Haschisch zum Eigenkonsum straffrei.

Die Drogenbeauftragte des Senats, Elfriede Koller, bezeichnete den Senatsbeschluss als „pädagogisch schwierig“. Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts von 2002 hätten über 37 Prozent der 16-jährigen Jugendlichen bereits Drogenerfahrungen. „Das ist eine Verdoppelung der Zahlen in den vergangenen zehn Jahren“, sagte Koller. Immer mehr junge Leute würden Drogenberatungsstellen aufsuchen, weil sie durch das Kiffen „nichts mehr geregelt kriegen“. Cannabis sei für Jugendliche „nicht harmlos“. Auch Landeselternsprecher André Schindler forderte ein „konsequentes Vorgehen gegen Drogen“. Die beschlossene Grenze der Straffreiheit sei „nicht tolerabel“. Jörg Richert, Geschäftsführer des Vereins Karuna, der suchtkranke Kinder und Jugendliche betreut, hat schon vor Jahren gegen einen freizügigeren Umgang mit Cannabis protestiert. Der heftige Konsum führe zu geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen.

Senatssprecher Michael Donnermeyer begründete den Senatsbeschluss damit, dass Berlin sich mit dieser Änderung an den „Vorgaben des Bundesgerichtshofes (BGH)“ orientiere. Es handele sich „nicht um die Aufforderung, Cannabis zu rauchen“. Anstatt Bagatellfälle zu verfolgen, solle sich die Staatsanwaltschaft künftig auf die „Bekämpfung der wirklichen Drogenkriminalität“ konzentrieren können. Jugendsenator Klaus Böger (SPD) sagte zu dem Senatsbeschluss: „Ich kann damit leben.“ Haschisch zu rauchen sei aber „mit Sicherheit kein Bildungsziel“. In den Schulen werde jede Form von Drogenkonsum „absolut nicht akzeptiert“. Das Bundesverfassungsgericht entschied 1994, dass bei Eigenverbrauch geringer Cannabis-Mengen von einer Strafverfolgung abzusehen sei. Der BGH urteilte 1995 ähnlich.

Vor eineinhalb Jahren hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit eine Liberalisierung im Umgang mit Cannabis abgelehnt. „Das ist nach wie vor seine Privatmeinung“, sagte Donnermeyer. Auch Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) hätte die Straffreiheit für weiche Drogen nicht heraufgesetzt. Beide haben den Senatsbeschluss aber mitgetragen. Donnermeyer: „Es gibt einen Beschluss des Abgeordnetenhauses, der umgesetzt werden muss.“ Das Parlament hatte im April 2004 gefordert, den Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis strafrechtlich nicht zu verfolgen. Dem stimmten alle Fraktionen außer der CDU zu.

Grüne und FDP begrüßten gestern den Senatsbeschluss. „Ein Schritt in die richtige Richtung. Wir wollen die komplette Legalisierung und eine staatlich kontrollierte Abgabe“, sagten FDP-Innenexperte Alexander Ritzmann und Grünen-Politikerin Elfi Jantzen. Frank Henkel von der CDU kritisierte die Entscheidung als „faktische Drogenfreigabe“ und forderte eine Drogenpolitik mit „Prävention, Repression und Therapie“.

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