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Berlin: Zwei Bier und den Stuhl, bitte!

Vor drei Monaten öffnete die Kaufbar in Friedrichshain, wo man außer Getränken auch die Einrichtung kaufen kann. Ein Konzept, das zu lustigen Situationen führt

Das blaue Sofa ist zwar schon verkauft, steht aber noch bis Januar in der Ecke der Kaufbar. Wer jetzt kleckert, beschmutzt quasi Privateigentum. Aber das ist das Risiko des neuen Eigentümers. Schließlich wusste er ja, worauf er sich einlässt.

In der Kaufbar kann man neben Kaffee, Kuchen und Bier auch die Einrichtung kaufen. Ein Angebot, das von den Gästen gut und gerne genutzt wird, wie Sophie von Lützow sagt, die den Laden mit ihrer Schwester Carolin vor drei Monaten eröffnet hat. Einmal sei es sogar vorgekommen, dass ein begeisterter Kunde einer großen Kaffeetafel den Tisch, zwei Stühle, einen Sessel und das Sofa unterm Hintern weggekauft habe, sagt Sophie von Lützow. Möbelnachschub wurde da flugs vom Lager oberhalb der Bar herbeigeschleppt, während die Gäste mit ihren Tassen in der Hand warten. Das seien dann sehr lustige Situationen, sagt Sophie von Lützow.

Von außen wirkt die Bar ganz unscheinbar. Erst beim Betreten merkt man, dass hier nicht alles nach gewohnter Kneipenmanier funktioniert: An den Möbeln pappen dezente Preisschilder, mal kostet ein Stuhl 50, mal eine Lampe 20 Euro. Und wer die kleinen Preisetiketten nicht gleich entdeckt, wird die Kaufmöglichkeit spätestens bemerken, wenn jemand nach seinem Stuhl verlangt – oder er einen genauen Blick in die Getränkekarte wirft: „Die Kaufbar heißt Kaufbar, weil hier alles kaufbar ist. Der Stuhl, auf dem ihr sitzt, der Nachbartisch und die Tassen, aus denen die beiden in der Ecke gerade ihren Kaffee trinken. An den Möbeln findet ihr die Preise, alle anderen könnt ihr erfragen.“ Um die 35 Plätze hat das Lokal – und zwei Ecken für Sofas. Das blaue, das im Januar abgeholt wird, ist das dritte, das verkauft wurde. „Wir dachten uns, dass es toll ist, wenn man im Sofa seiner Wahl ein Bier trinkt und sich das gute Stück auch gleich kaufen kann. Da hat man dann ja schon mal Probe gesessen“, sagt Carolin von Lützow über die Idee, Kneipe und Möbelladen zu kombinieren.

Nur beim Geschirr geht das Konzept bisher nicht auf. Teller und Tassen werden nur selten gekauft. „Wahrscheinlich, weil sie entweder gerade gespült werden oder im Regal stehen“, sagt Sophie von Lützow. Da würden sie nicht als Kaufobjekte wahrgenommen. Um das zu ändern, planen die Schwestern eine Geschirroffensive: In einer „Weihnachtsecke“ soll es endlich auffallen.

Was nicht einfach ist im bunten Stilmix der Kaufbar. 70er-Jahre-Polstermöbel warten genauso auf kauflustige Gäste wie restaurierte Holzunikate aus Opas Jugendzimmer. Trotzdem passt alles gut zusammen. „Meine Schwester machte zuvor Filmausstattungen und hatte schon Erfahrungen im Einrichten“, sagt Carolin von Lützow. Sie selbst ist ausgebildete Hotelfachfrau mit Gastronomie-Erfahrung. Dazu kam noch ein bisschen Familienglück: Der Vater aus Bamberg hat gute Kontakte zu Antiquitätenläden, kann schicke Möbel billig aufkaufen, kommt nun ab und an mit einer Fuhre vorbei und frischt das Inventar auf. Ansonsten stöbern die Schwestern auf Flohmärkten, um Lücken in der Einrichtung zu füllen.

Kneipengänger mit Hang zur Stammplatzsuche haben in der Kaufbar nur eine Chance: Sie wählen die Theke als Lieblingsecke. Die ist nämlich unverkäuflich.

Kaufbar, Gärtnerstraße 4, Friedrichshain, Tel. 29778825, täglich 9.30 bis 1 Uhr

Jens Thomas

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