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Berlin: Zwei Nabel der Welt - Island und Arabien, aber ägyptische Filme gibt es hier nicht

Rósa ist sauer. Hrafn Gunnlaugsson hat sie versetzt.

Rósa ist sauer. Hrafn Gunnlaugsson hat sie versetzt. Ausgerechnet Gunnlaugsson. Kaum ein Journalist hat sich auf der Berlinale für ihn interessiert. Rósa Erlingsdóttir aber hätte ihn interviewen müssen, weil er wie sie aus Island kommt. "Sein Film war furchtbar", sagt sie, "aber deswegen muss er doch nicht gleich abhauen." Wo doch den Berlinern "Witchcraft" gefallen hat. "Überwältigt von den Naturaufnahmen waren die", sagt Rósa. Erschlagen fühlt sie sich, wenn sie die Filme ihrer Landsleute sieht. Viel Natur, viel Gewalt, viel Alkohol. Und immer dreht sich alles nur um ein Thema: Island. "So sind wir Insulaner eben. Gerade mal 260 000 Männeken und trotzdem halten wir uns für den Nabel der Welt."

"Kenn ich", sagt Chawki Yassa. "Das tun wir Araber genauso, auch wenn wir praktisch total amerikanisiert sind." Yassa ist Ägypter, akkreditiert ist er aber für eines der reichsten Länder der Erde: die sieben Scheichtümer der Vereinigten Arabischen Emirate. Yassas Beiträge über die Berlinale laufen im arabischen Pay-TV.

Rósa Erlingsdóttir, 29, und Chawki Yassa, 56: Zwei Gesichter aus der Masse der rund 3500 Journalisten auf den Filmfestspielen. Sie arbeitet für Islands Tageszeitung "Morgunbladid", er für die private Radio- und Fernsehstation "Arab Radio & Television". Und auch wenn Berlin sich am Potsdamer Platz in diesen Tagen noch so bemüht, Weltstadt zu sein, die erste Reaktion, wenn sich Rósa und Herr Yassa vorstellen, ist immer: "Ach, wie exotisch ..." "Rudolf Thome war so begeistert, dass er ein Einzelinterview mit mir führte, andere Termine einfach sausen ließ", erzählt Rósa. "Andere Regisseure lachen sich bei zwei Einwohnern pro Quadratkilometer tot. Das ist für die kein Markt, das ist eine Wüste." Dabei ist die kleine Nation südlich des Polarkreises, wo es nicht mal eine Eisenbahn gibt und im Winter die Sonne nicht aufgeht, ziemlich kinoverrückt. Und das, obwohl das Ticket für einheimische Produktionen 25 Mark kostet.

"Morgunbladid" hat sogar zwei Reporter zur Berlinale geschickt. "Mein Kollege macht die US-Schinken, ich den Rest", sagt Rósa. Eine Arbeitssteilung, die ihr gefällt. Denn wann bekommt eine Isländerin schon einmal die Gelegenheit, chinesische, indische und deutsche Produktionen zu sehen. Ihr persönlicher Favorit ist Zhang Yimous "The Road Home". Ein Film, so still und schön. Ein Film, für den Rósa kämpft. Dass zumindest einmal im Jahr so ein Exot in ihrer Zeitung besprochen wird. "Vielleicht liest es ja ein Verleiher und ist mutig genug, den Film nach Island zu holen", sagt sie. Immer nur DiCaprio und dieselben Gesichter der heimischen kleinen Film-Clique - das kann es doch nicht sein.

Herr Yassa denkt da ähnlich, wenn auch patriotischer. Auch er kämpft, aber für arabische Filme. Jedes Jahr ist er enttäuscht, dass so wenig Produktionen aus Ägypten, dem Hollywood des Orients, auf der Berlinale laufen. "Unsere Kopien sind technisch nicht so brilliant, dafür sind die Geschichten oft menschlicher und tiefgründiger", meint er. Moritz de Hadeln würde er gerne mal vor laufender Kamera fragen, warum denn seit 1979 kein einziger ägyptischer Film mehr im Wettbewerb war. Doch im Büro des Festivalleiters heißt es immer: De Hadeln habe keine Zeit. Doch Chawki Yassa ist ein geduldiger Mensch. Und wenn schon die Berliner keine Filme aus seiner Heimat zeigen, dann zeigt er den Arabern eben Berlin. In seinem Fernsehbeitrag zeigt er zuerst Schloss Charlottenburg und Nofretete, danach Filmausschnitte und Interviews vom Festival. Yassa versucht dabei, möglichst viele Stimmen nordafrikanischer oder arabischer Regisseure einzufangen, auch wenn deren Filme nur nachts im Forum laufen. Nacktaufnahmen zeigt er nicht, politisch wird es manchmal schon. Scheich Salah, der Inhaber von Yassas Auftraggeber ART, hat sich aber noch nie beschwert.

Reykjavik - Kairo, Dubai. Egal, ob der isländische Film urbaner und der ägyptische Film endlich im Wettbewerb vertreten sein wird - Rósa und Herr Yassa werden auch nächstes Jahr von der Berlinale berichten.

Eberhard Schade

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