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Er hat es in der Hand. Klaus Wowereit nahm am Donnerstag nach der Wahl und dem Schwur die Ernennungsurkunde als Regierender Bürgermeister entgegen. Es ist für ihn die vierte seit 2001. Nach dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck ist der SPD-Politiker damit der Landeschef mit der zweitlängsten Amtszeit. Foto: dapd/Bilan

© dapd

Berlin: Zwei Stimmen fehlten zur perfekten Wahl 84 Abgeordnete votierten für Klaus Wowereit

Spekulationen über Abweichler in der SPD.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Mit dem Gongschlag, um 13.43 Uhr, verkündete Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) das Ergebnis der Wahl des Regierenden Bürgermeisters. 84 Abgeordnete stimmten für Klaus Wowereit, 63 gegen ihn, ein Parlamentarier enthielt sich der Stimme und eine Linken-Abgeordnete fehlte aus Krankheitsgründen. Da SPD und CDU zusammen über 86 Mandate verfügen, haben mindestens zwei Parlamentarier aus der rot-schwarzen Koalition dem alten und neuen Regierungschef die Gefolgschaft verweigert.

Mit diesem Ergebnis kann der 58-jährige SPD-Politiker, der seit 16. Juni 2001 Berlin regiert, gut leben. Denn ihm hätten für die notwendige absolute Mehrheit 75 Ja-Stimmen genügt. Eine Zitterpartie wie 2006, als Wowereit erst im zweiten Anlauf gewählt wurde, war angesichts der komfortablen Mehrheit der neuen SPD/CDU-Koalition nicht zu erwarten. Abgeordnete der Union versicherten nach der Wahl des Regierungschefs, dass ihre Fraktion geschlossen abgestimmt habe. Schon auf dem Landesparteitag bot die CDU mit ihrem einstimmigen Votum für den Koalitionsvertrag mit der SPD ein Bild der entschlossenen Geschlossenheit.

Allerdings wird der Regierende Bürgermeister in geheimer Abstimmung gewählt, so dass Spekulationen über die „U-Boote“ in den Reihen von Rot-Schwarz Tür und Tor geöffnet sind. Dass Wowereit in seiner SPD-Fraktion nicht nur Freunde hat, ist ein offenes Geheimnis. Stimmten also eigene Genossen gegen ihn oder enthielten sich der Stimme? Herbert Wehner, ehemals Chef der SPD-Bundestagsfraktion, antwortete in einem legendären Interview mit dem ARD-Journalisten Ernst Dieter Lueg 1976 auf Fragen dieser Art: „Ich weiß nichts und Sie wissen gar nichts, Herr Lüg!“

In rot-schwarz gestreifter Krawatte schlenderte Wowereit sieben Minuten vor Beginn der Abgeordnetenhaussitzung in den Plenarsaal. Ein Küsschen für die Parteifreundin und Noch-Senatorin Ingeborg Junge-Reyer, dann ein ausgiebiger Plausch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller, während der CDU-Chef Frank Henkel mit seiner grünen Amtskollegin Ramona Pop plauderte. Nach der Wahl wurde der Regierende Bürgermeister vereidigt, und es gab von Müller und Henkel einen gemeinsamen, herbstlich-bunten Blumenstrauß. Auch die Chefs der Oppositionsfraktionen gratulierten. Dann wurde die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrochen. Wowereit und die acht Senatoren zogen sich dann in sein Amtszimmer im Abgeordnetenhaus zurück. Dort dankte der Regierende den drei Senatoren der Linken Harald Wolf, Carola Bluhm und Katrin Lompscher für ihre Arbeit. Laut Verfassung endet mit der Wahl des Regierenden Bürgermeisters automatisch die Amtszeit der Senatoren. Die SPD-Senatoren wurden von Wowereit formal gebeten, bis zur Ernennung der neuen Senatoren die Amtsgeschäfte der ausscheidenden Senatoren zu übernehmen. Am Montag werden die Namen der acht Senatsmitglieder bekannt gegeben, die mit Wowereit regieren dürfen. Am nächsten Donnerstag wird das Kabinett im Parlament vereidigt.

Nach der Wahl von Wowereit sagte die grüne Fraktionschefin Ramona Pop: „Wowereit hat es geahnt. Zwei Stimmen fehlten. Es gab in der SPD eine Unsicherheit über die eigenen Leute.“ Nach dem Scheitern der rot-grünen Gespräche warfen die Grünen Wowereit vor, er habe angesichts der knappen Mehrheit die Verhandlungen scheitern lassen. Und trotz Wowereits „Charmeoffensive“ bei den Piraten, denen er am Dienstag einen Fraktionsbesuch abstattete, habe er wohl keine Stimme von den Piraten erhalten, sagte Pop. Der Koalitionsvertrag sei „schwammig. Es fehlt die Haltung zu Zukunftsfragen“. Wie die Lösung der S-Bahn-Krise aussehen könne, bleibe im Vertrag unbeantwortet.

Andreas Baum, der Fraktionsschef der Piraten, zeigte sich „nicht überrascht“ von Wowereits Wahlergebnis. Seine Partei habe offenbar „nicht geschlossen“ für ihn gestimmt, frotzelte Baum. Er bezeichnete Wowereits Besuch in seiner Fraktion als „nette Geste“. Es gebe einige „lichte Stellen“ im Koalitionsvertrag. Auch Baum kritisierte wie die Grünen die die von Rot-Schwarz offengelassene Zukunft der S-Bahn.

Auch für den früheren SPD-Koalitionspartner war das Wahlergebnis von Wowereit „keine Überraschung“, sagte der Fraktionschef der Linken, Udo Wolf. Er bezeichnete den Koalitionsvertrag, der am Mittwoch unterzeichnet worden war, als „Dokument des Stillstands“. Ein „richtiger Knaller“ fehle in dem Vertrag. Die Linke werde künftig „im Detail“ die Finger in die Wunden legen. Wolf nannte als Beispiele die künftige Mietenpolitik und die Rekommunalisierung von Unternehmen der Daseinsvorsorge.

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