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Kontrollgremium im Visier. Derzeit wird über die Verbindungen der Aufsichtsräte landeseigener Unternehmen, zu denen auch der Klinikkonzern Vivantes zählt, diskutiert. Umstritten ist auch die Beauftragung eines Bremer Werbeunternehmers. Foto: Peer Grimm/dpa

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Berlin: Zweikampf um Vivantes-Aufsichtsrat

Finanzsenator Nußbaum will Einfluss vergrößern - und auch hier Ex-Banker Kauermann ablösen.

In der Affäre um Besetzung, Räumung und Einflussnahmen in Aufsichtsratsposten landeseigener Gesellschaften gibt es neue ungeklärte Fragen. Nach Tagesspiegel-Recherchen erhielt der Bremer Werbeunternehmer L. vom Geschäftsführer des Klinikkonzerns Vivantes einen Beratungsvertrag – nach Empfehlung des lange in Bremen wirkenden Vivantes-Aufsichtsrats Peter Jung. Werbeunternehmer L. arbeitete jahrelang mit Jung zusammen auf der Spitzenebene einer Bremer Firma. Jung ist zugleich ein Bekannter von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD), der ebenfalls aus Bremen kommt. Laut Finanzverwaltung hat L. das wirtschaftlichste von drei Angeboten abgegeben. Der Vertrag habe nicht dem Aufsichtsrat vorgelegt werden müssen.

Auf Vorschlag der Finanzverwaltung sitzen drei Bremer in Aufsichtsräten von Landesgesellschaften; insgesamt hatte Nußbaums Haus 75 Personen für solche Posten empfohlen. Die drei Bremer sind an der Kontrolle von Firmen beteiligt, die für die politischen Weichenstellungen in Berlin zentral sind: bei Charité und Vivantes (Reorganisation der Klinikkonzerne), bei der Tempelhof Projekt (Neubau Landesbibliothek sowie 3000 Wohnungen) und BCIA (Verwalter der Immobilienrisiken aus dem Bankenskandal). Nußbaum erklärte, er habe „keine geschäftlichen Beziehungen“ mit Jung, den er aus Bremen kenne. Jungs früherer Bremer Mitarbeiter, der den Vivantes-Auftrag erhielt, sei ihm unbekannt, sagt Nußbaum.

„Sogenannte Seilschaften in Aufsichtsräten werden von Finanzsenator Nußbaum und der Finanzverwaltung weder akzeptiert noch befördert“, ließ Nußbaum zur Personalie Jung erklären. Das würde wohl ebenso gut passen auf Nußbaums Bewertung der Rolle von Karl Kauermann. Der ex-Helaba- und Volksbank-Sanierer ist ein langjähriges SPD-Mitglied und saß oder sitzt in vielen Kontrollgremien Berliner Firmen, darunter viele landeseigene: BSR, Degewo, Vivantes, Hertha BSC, Gasag. Kauermann hatte Wahlkampfhilfe für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geleistet.

Für Nußbaum ist Kauermann aber dennoch nicht mehr tragbar in landeseigenen Firmen: Bei der Degewo habe er wegen „mangelnder Transparenz und möglicher Interessenkonflikte (...) das notwendige Vertrauen“ in ihn verloren. So begründete Nußbaum Kauermanns Ablösung aus dem Degewo-Aufsichtsrat. Dabei soll es nicht bleiben. Nußbaum soll mit Wowereit auch Kauermanns Ablösung aus dem Vivantes-Aufsichtsrat erörtert haben. Auch bei Vivantes-Kontrolleuren soll er vorgefühlt haben, ob die Maßnahme ohne Turbulenzen durchsetzbar ist. Nußbaum hat für seinen Vorstoß neue Munition gesammelt: Kauermann war mit zehn Prozent an einer Wachschutzfirma (SSB) beteiligt, die für Vivantes tätig war. Dieselbe Firma war auch für die Degewo tätig.

Kauermanns SSB-Beteiligung und deren Aufträge für die Degewo waren von den Prüfern der KPMG untersucht worden. „Rechtsverstöße“ wurden nicht gefunden. In Nußbaums nachgereichter Begutachtung des Gutachtens „durch die Anwaltskanzlei Giesen Heidbrink“ ist das trotzdem ein „möglicher Interessenkonflikt“, einer von sechs. Den Degewo-Aufsichtsrat überzeugte das nicht: Deren neuer Interimschef gab eine „Vertrauenserklärung“ für Kauermann ab, ähnlich lautend sollen sich andere Kontrolleure geäußert haben.

Kauermann bestätigte die SSB-Aufträge für Vivantes. Er habe aber inzwischen seinen Anteil wieder zum Einkaufspreis verkauft und zuvor keine Rendite oder Ausschüttungen erhalten.

Bei Vivantes soll Kauermanns Rückhalt ebenso stark sein wie bei der Degewo. Kauermann ist SPD-Mitglied. Deshalb müssen die traditionell SPD-nahen Gewerkschafts- und Arbeitnehmervertreter von Kauermanns Ablösung überzeugt werden. Müsste Kauermann den Vivantes-Aufsichtsrat verlassen, würde das die Kräfteverhältnisse dort gehörig zugunsten der CDU verschieben. Die Gremien hatten bereits Nußbaums Bremer Bekannten Peter Jung berufen, der in der Hansestadt Vorstand des CDU-Wirtschaftsrates war und bei der Entwicklung des neuen CDU-Slogans („Richtig gute Partei“) mithalf.

Mit der harten Kante in der Auseinandersetzung mit Kauermann empfiehlt sich Nußbaum gleichsam beim Koalitionspartner CDU. Auch als möglicher Wowereit-Nachfolger, denn den trägt das Netzwerk, das der Finanzsenator nach Ansicht politischer Beobachter „kaputthackt“. Ambitionen auf die Wowereit-Nachfolge werden Nußbaum nachgesagt. Mangels Alternativen böte sich der dienstälteste und populärste Berliner Senator Nußbaum als Übergangskandidat an. Deshalb will „Nußbaum die Macht in der Berlin-Holding“, sagen Beobachter. Schon bei den Koalitionsverhandlungen habe er die Ausweitung des Einflusses seiner Finanzverwaltung in den Gremien der Landesbeteiligungen angestrebt. Sollte dies das Ziel sein, muss der Einfluss von Kauermann beschnitten werden.

Rückendeckung erhält Nußbaum nun vom Regierenden Bürgermeister. „Wir sehen da keinen Rechtsverstoß“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Der Finanzsenator hatte am Dienstag eingeräumt, im Januar den Chefposten einer seiner Firmen wieder übernommen zu haben, obwohl Senatoren nicht „berufsmäßig tätig“ sein dürfen. Nußbaum beruft sich auf eine im Gesetz geregelte Ausnahme, die die Verwaltung eigenen Vermögens erlaubt. Nußbaum selbst hatte versichert: „Die Gesellschaft dient ausschließlich der privaten Vermögensverwaltung und verfügt weder über ein operatives unternehmerisches Geschäft noch über Personal“.

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