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Berlin: Zweite Enteignung an der Bernauer Straße

Eigentümer am geplanten „Postenweg“ sollen Grundstücke für das Gedenken an DDR-Unrecht hergeben – dagegen wehren sie sich

Geschichte wiederholt sich nicht – doch davon sind die Anlieger an der Schönholzer Straße, südlich der Bernauer Straße, nicht mehr überzeugt. Fast pünktlich zu den Einheitsfeiern kommt neues Unrecht auf sie zu, finden sie – im Namen der Pläne zum Gedenken an das Unrecht im geteilten Deutschland. Denn ein Dutzend Anlieger sollen ihre Grundstücke hergeben, damit der alte Postenweg wiederhergestellt werden kann. Den nutzten die DDR-Grenzer im Hinterland der Mauer. Der Weg soll die „Gedenkstätte Berliner Mauer“ ergänzen. Wer aber sein Grundstück nicht ans Land verkaufen will, dem droht Enteignung, fürchten die Betroffenen.

Das wäre die zweite Enteignung von Grundstücken an dieser Stelle, nach der Landnahme zu DDR-Zeiten. Dabei wurde dieses Unrecht vor nicht langer Zeit geheilt: Erst das Mauergesetz von 1996 machte den Weg frei für die Rückgabe der Grundstücke an die Alteigentümer. Einer der Betroffenen, Ulrich Stark, sagt deshalb: „Ich finde eine Gedenkstätte richtig, aber nicht, wenn dafür wieder Grundstücke enteignet werden müssen.“

Stark hat sein Haus an der Schönholzer Straße vor 16 Jahren von Alteigentümern erworben. Vor zwölf Jahren kaufte er den angrenzenden Garten dazu. Nun liegt das Grün aber auf dem Postenweg, der rekonstruiert werden soll. Verkaufen will er nicht – „ich bin kein Spekulant.“ Er habe den Garten für seine Kinder erworben, heute spielen die Enkel dort. Vom Land hat er sogar eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“: Berlin hatte ein Vorkaufsrecht, auf das es verzichtete. Dass dies wieder in Frage gestellt wird, kann Stark nicht nachvollziehen. Der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Mathias Gille, sagt: „Wir wollen eine Einigung, keine Enteignung.“ Man bemühe sich um den Kauf der Grundstücke, sei auf gutem Wege. Der Plan, der die Eröffnung des Postenweges für August 2011 vorsehe, sei aber „ambitioniert“.

Eng könnte es deshalb werden, weil auch die Bewohner des neuen Mehrgenerationenhauses in der Schönholzer Straße 13/14 nicht den Grundstücksteil hergeben wollen, auf dem ein Spielplatz errichtet wurde. „Wenn der Bebauungsplan so durchgeht, werden wir dagegen eine Klage anstreben“, sagt Anlieger Heiner Legewie. Was aus einem anderen Neubau wird, an der Strelitzer Straße direkt auf dem Postenweg errichtet, ist ungeklärt.

Nach Bedenken der Bürger wurde der überarbeitete Bebauungsplan ein zweites Mal ausgelegt. Die Eigentümer von drei betroffenen Häusern haben eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Formulierung ihrer „Einwendungen“ beauftragt. Diese führt unter anderem „Verstöße gegen Bauplanungsrecht“ an: „Das Maß der baulichen Nutzung überschreitet durchgängig die Obergrenzen bis zum Vierfachen der zulässigen Geschossflächenzahl“.

Denn geplant sei nicht nur die Rekonstruktion des Weges, sondern auch die Bebauung öffentlicher Grundstücke nördlich davon und deren gewinnbringender Verkauf, berichten die Anlieger. „Wo heute Gärten sind, entstehen durch die Neubauten schattige Hinterhöfe“, sagt Legewie. Und während die Planer des Mehrgenerationenhauses die Berliner Traufhöhe – eine Art Grundgesetz für die Höhe von Neubauten in der Stadt – einhalten mussten, wollten die Behörden auf Flächen gegenüber, die dem Bund gehören sollen, ein Geschoss mehr genehmigen. So mache die öffentliche Hand mit Bauland Kasse und kassiere außerdem noch bei den Grundeigentümern für das Gedenken ab, klagt Legewie.

Der Chef des landeseigenen Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann, weiß nichts von Bauplänen in diesem Bereich. „Wir haben 14 Grundstücke im Auftrag des Landes angekauft und der Stiftung Mauergedenken übertragen“, sagt er. In drei Fällen verhandle man noch.

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