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Wildost statt Wildwest: Die Szenerie der „Flower Horse Ranch“ in Gersdorf (Märkisch-Oderland) ist irritierend, vom Original kaum zu unterscheiden.

© Rainer Sioda

Zwischen White Sands und Märkisch-Oderland: Wo Brandenburg wie der Wilde Westen ist

Bei einer Reise hat der Fotograf Rainer Sioda festgestellt: Brandenburg und die USA haben ziemlich viel gemeinsam. Seine Aufnahmen zeigt er jetzt in Berlin.

Eigentlich fotografiert Rainer Sioda vor allem, „was sich in Brandenburg tut oder auch nicht tut“, wie er sagt. Von beidem gibt es ja eine Menge. Sioda, Jahrgang 1958, geboren in Treuenbrietzen und nun Berliner, Lehrer und Fotograf, kennt das Land von vielen Rennradtouren. Doch er war auch in Amerika unterwegs, als fotografierender Tourist. Er war noch niemals in New York, sondern besuchte Orte wie White Sands in New Mexico, wo Salzseen in der Trockensteppe flirren und es selbst dem „Lonely Planet“ zu einsam ist. In White Sands sieht es aus, wie man sich den Wilden Westen vorstellt. Und wie in Gersdorf, Landkreis Märkisch-Oderland.

Aus Erkenntnissen heraus wie dieser entstand Siodas Werk „Transatlantic Relations“, für das er den diesjährigen Kunstpreis Fotografie Lotto Brandenburg gewonnen hat. Er hatte eine große Ausstellung im Kunstraum Potsdam; noch bis Ende dieser Woche zeigt er 13 Bilder in der Brandenburger Landesvertretung in Berlin. Eine weitere Ausstellung läuft im Potsdamer Landtagsschloss.

Schwermut liegt über den Orten

Geahnt hatte Sioda die Parallelen schon vor seiner USA-Reise. Die brandenburgisch-amerikanischen Bildpaare fanden sich dann bei der Nachbereitung, als er die Gedanken über die Fotos schweifen und die Assoziationen wach werden ließ: Die Mark und die Staaten können sich stärker ähneln, als man glaubt. Im Fall von Gersdorf wird die Frage, welches Bild eigentlich wo aufgenommen worden ist, schon fast zur Fangfrage – dank der „Flower Horse Ranch“, die dem Dorf nordöstlich von Berlin unter anderem jenen Planwagen mit „U.S.“-Stern am Heck beschert hat, der aussieht, als wären Goldgräber hier gestrandet. Und das auf halbem Weg zwischen Berlin und Polen!

Ein weiteres von Siodas Bilderpaaren bilden Blumenhagen in der Uckermark und Pine Ridge in South Dakota: Von Fahrspuren zerfurchtes, braunes Gras, leichte Hügel, aber kein wirklicher Halt fürs Auge. In Amerika ist es die sengende Sonne, die der Landschaft die Farbe raubt; in Brandenburg ist es der Winter. Schwermut liegt über beiden Orten, was allerdings auch an den nachträglich noch weiter reduzierten Farben liegt. Die Frage, wo er im Nachhinein mehr Farbe rausgenommen hat, beantwortet Sioda indirekt: „Brandenburg bei Sonnenschein gilt unter Fotografen als schwierig. Jedenfalls, wenn es nicht um Postkartenmotive mit schönen Seen und Rapsfeldern geht.“ Schön für Tourismuswerber, schlecht für Künstler. In Amerika habe er einen weißlich überstrahlten Himmel erlebt, wie er im Süden selten vorkomme, sagt Sioda, da habe er nicht viel bearbeiten müssen.

Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten: Fotograf Rainer Sioda
Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten: Fotograf Rainer Sioda

© promo

Und manchmal sind die Ähnlichkeiten eher grafisch als real, wie ein weiteres Bilderpaar zeigt: Auf dem einsamen Highway mit der typischen gelben Mittellinie in New Mexico geht’s hinterm Horizont weiter. Nebenan, bei dem Garagenkomplex in Forst, Liederlausitz, endet der geteerte Mittelstrich zwischen den Betonplatten vor ein paar Kiefern, hinter denen ein Plattenbau durchschimmert wie eine Wand in der Landschaft.

Amerika und Brandenburg sind sich ähnlicher, als man denkt, lautet Siodas Fazit: Hier wie da ziehen die Leute weg, ächzen Bretterbuden im Wind. Dabei sieht Amerika immer aus wie eine Filmkulisse – einfach, weil es Amerika ist. Und dass Brandenburg dem Künstler zu bunt ist, können Berliner Sommerfrischler ja als gute Nachricht verstehen.

Ausstellung „Transatlantic Relations“ (13 Bilder): noch bis 28. August, In den Ministergärten 3 (Nähe Potsdamer Platz), täglich 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei. Das Buch ist bei Pogobooks erschienen (48 Euro).

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