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Hier ruderte der Chef noch selbst. Wo konnte man sich als BVG-Fahrgast schon per Muskelkraft transportieren lassen? „Paule III“ war ein Berliner Unikum.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin: Zwölf Ruderschläge, viel mehr Fans

Die BVG will „Paule III“ abschaffen, Berlins kleinste Fähre, die mit Muskelkraft angetrieben wird. Doch es regt sich Widerstand. Die Hoffnung der Traditionalisten ruht auf dem Schifffahrtsamt.

Berlin - „Paule III“ wird jetzt im Winter wieder piekfein gemacht. Das rot-blaue, knapp drei Meter lange Ruderboot liegt kieloben im Treptower Hafen und wird von der BVG bis zum Saisonbeginn 2013 restauriert. Ab Ostern soll die kleinste Fähre Berlins, die mit Muskelkraft vorangetriebene „Paule III“, dann wieder im Südosten der Stadt zwischen dem Anleger an der Kruggasse in Rahnsdorf und den Müggelheimer Spreewiesen über die Müggelspree hin- und herschippern – als Fährlinie F24 der Berliner Verkehrsbetriebe.

Bis vor wenigen Tagen schien allerdings klar zu sein, dass die Tage des schaukelnden Berliner Unikums gezählt sind: Senat und BVG wollen die Ruderfähre zum Saisonende abschaffen. Ab 2014 soll eine größere Motorfähre den Kahn ersetzen – trotz der Proteste vieler Rahnsdorfer und der Köpenicker Tourismusvereine, die ihre Attraktion erhalten wollen. Nun aber können die Paule III-Freunde wieder ein wenig hoffen. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt hat den Bau eines Anlegers für die geplante Motorfähre am Müggelheimer Ufer abgelehnt. Die Spree sei bei Rahnsdorf für ein solches Vorhaben zu eng, heißt es. Also müsse die Ruderfähre wohl weiter fahren, frohlockt man in Rahnsdorf.

Gerade mal 12 Ruderschläge brauchen die Fährmänner, um das Boot über das nur 36 Meter breite Flüsschen zu bringen. Etwa eineinhalb Minuten dauert das. Wer in der Saison bis Ende Oktober zusteigen will, zahlt ein BVG-Einzelticket oder zeigt die Umweltkarte vor. Los geht’s von den BVG-Wartestegen aus, an denen wie bei Bussen und U-Bahn der Fahrplan der F24 hängt. Einmal stündlich verkehrt die Fähre offiziell, tatsächlich wird aber an- und abgelegt, so oft sich am Ufer Ausflügler und andere Fahrgäste sammeln. Acht passen an Bord plus zwei bis drei Fahrräder. Und ist ein bisschen Wartezeit angesagt, so lädt neben dem Fährsteg Müggelseefischer Andreas Thamm zum Räucherfisch im Biergarten ein.

Insgesamt befördert „Paule III“ etwa 12 000 Passagiere pro Jahr. Rudern darf das Boot nach den Bestimmungen zur Personenbeförderung nur ein Profi mit Schifffahrtspatent. Deshalb hat die BVG ihre Fährlinie F24 wie auch ihre fünf weiteren Fähren über die Dahme, die Spree und Müggelspree sowie über den Wannsee bislang an die Berliner Stern- und Kreisschifffahrt vergeben. Deren Bootsmänner sitzen im Wechsel an den Rudern, und sie sind in Rahnsdorf populär. Schließlich hat die Ruderboot-Verbindung Tradition, es gibt sie seit 102 Jahren. 2011 feierten die Rahnsdorfer das 100-jährige Bestehen. Und den drei Fährmännern, die sich zwischen 1911 und 2000 jeweils ein halbes Berufsleben lang in die Ruder legten, sind Rahnsdorfer Wege gewidmet, benannt nach Richard Hilliges, Richard Hörnke und Paul Rahn.

Anfang des Jahres aber begannen die Rahnsdorfer, um ihr Fähridyll zu fürchten. Da wurde bekannt, dass die Fährverträge der BVG mit der Stern- und Kreisschifffahrt Ende 2013 auslaufen und neu ausgeschrieben wurden – und dass in dieser Ausschreibung die Minilinie F24 gar nicht mehr erwähnt war. Ursache sind Ausschreibungsbedingungen. So sollen die künftigen Betreiber nach dem Willen von BVG und Senatsverkehrsverwaltung umwelt- und behindertenfreundliche Schiffe einsetzen. „Paule III“ aber ist für Menschen mit schweren Behinderungen ungeeignet. Deshalb soll die größere motorisierte Fährlinie F23 nach dem Plan der BVG das Übersetzen in Rahnsdorf künftig mit übernehmen. Sie verkehrt entlang der Müggelspree, dabei hält sie ohnehin stündlich an der Rahnsdorfer Kruggasse.

Wie berichtet, hat sich als künftiger Betreiber der vier verbleibenden BVG-Fähren im Ostteil der Stadt die Weiße Flotte Stralsund durchgesetzt. Nur der Fährbetrieb am Wannsee bleibt bei der Stern- und Kreisschifffahrt. Die Stralsunder wollen neue Schiffe mit E-Motoren und Solarzellen einsetzen. Für die Linie F23 ist ein behindertengerechtes Boot für 35 Personen vorgesehen. Damit es auch gegenüber von Rahnsdorf an den Müggelheimer Wiesen anlegen kann, ist dort ein größerer Anleger erforderlich. Dessen Bau hat das Schifffahrtsamt laut BVG nun abgelehnt.

Senat und BVG überlegen derzeit, ob sie Widerspruch einlegen. In Rahnsdorf will man deshalb weiter Widerstand leisten. „Das ist für uns ein touristisches Highlight“, sagt Fischermeister Thamm. Außerdem wäre mit der Motorfähre das ständige Hin und Her nach dem Motto „Fährmann hol’ über“ vorbei. Thamm: „Mit ein bisschen gutem Willen könnte man das Ruderboot auch für behinderte Menschen ausbauen.“ Unterstützung erhält er vom Köpenicker Heimatverein. „Die Ruderfähre ist für uns ein Stück Zuhause“, sagt dessen Vorsitzender Stefan Förster. „Dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

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