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Berlin: Zwölf Uhr mittags – der Senat lädt nach

Weitere Austritte aus dem öffentlichen Arbeitgeberverband: Neuer Tarif auch für Hochschulen ungültig. Verhandlungen beginnen nächsten Freitag

Von Sigrid Kneist

und Bärbel Schubert

In Deutschland herrscht weitgehend die Ruhe nach dem Tarifstreit, doch in Berlin spitzen sich die Auseinandersetzungen um den öffentlichen Dienst zu. Nach dem Senat erklärten gestern auch die vier Universitäten und drei Fachhochschulen den sofortigen Austritt aus den kommunalen Arbeitgeberverbänden. Damit müssen sie für ihre 35 000 Beschäftigten den Tarifabschluss nicht mittragen. Am kommenden Freitag wollen Gewerkschaften und Senat mit Verhandlungen über einen eigenen Tarifvertrag beginnen. Gleichzeitig aber bereiten sich die Arbeitnehmervertreter auf einen Streik in der Stadt vor.

Exakt um 12 Uhr mittags haben die Berliner Hochschulen gestern die kommunalen Arbeitgeberverbände verlassen. Lediglich die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft ist im Tarifverbund verblieben, ihr Kuratorium hatte einen Ausstieg abgelehnt. Die Hochschulen fühlten sich vom Senat massiv unter Druck gesetzt und befürchteten, dass die Hochschulverträge nicht eingehalten werden, die eigentlich die Finanzierung bis 2005 sichern sollen. Nach Angaben von TU-Präsident Kurt Kutzler entsprechen die Kosten des Tarifabschlusses 300 bis 400 Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Mit dem Verbandsaustritt habe man diese Stellen sichern wollen, sagte Kutzler.

Verdi-Chefin Susanne Stumpenhusen sagte, dass der Senat auch andere öffentliche Arbeitgeber wie die Stiftung Stadtmuseum oder den Lette-Verein zur „Verbandsflucht“ dränge. Bereits am Mittwoch hatte das Land Berlin als erstes die Verbände verlassen.

In Berlin werden nur Angehörige der öffentlichen Unternehmen wie BSR und BVG und der Bundesbehörden vom Tarifabschluss von 2,4 Prozent Gehaltserhöhung in diesem Jahr profitieren. Sie liegen rechtlich außerhalb der Berliner Verwaltung. Die unmittelbaren Landesbediensteten gehen aufgrund des Verbandsaustritts leer aus. Die Gewerkschaften, die die Rechtmäßigkeit des Austritts bestreiten, wollen in Musterprozessen klären lassen, ob die Beschäftigten nicht doch Anspruch auf eine Gehaltserhöhung haben.

Am Dienstag wird der Senat seine Linie für die Verhandlungen festlegen. Sie wird sich nach Angaben von Senatssprecher Michael Donnermeyer an den Vorschlägen zum Solidarpakt orientieren. Das bedeutet, dass der Senat bei einer Nullrunde und der Reduzierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld eine Arbeitszeitverkürzung anbietet. Die Vorstellungen des Senats liegen sehr weit weg von den Forderungen der Gewerkschaften, die auf einem Vertrag zur Übernahme des bundesweiten Abschlusses beharren. „Wir sehen kaum Spielraum für Verhandlungen“, sagte Verdi-Sekretär Roland Tremper. Bei einem Scheitern der Gespräche wollen die Gewerkschaften die Urabstimmung ausrufen.

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