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Vor Güterzug über die Gleise gerannt: Zwölfjähriger Junge kam bei Mutprobe ums Leben

Die Mutprobe kostete ihn das Leben. Der zwölfjährige Benjamin starb am Montagabend in Spandau auf den Gleisen der Schnellstrecke Berlin – Hannover.

Er wollte seiner zehnjährigen Stiefschwester imponieren – und ganz knapp vor dem nahenden Güterzug über die Gleise rennen. Beide Kinder standen einen Meter von den Schienen entfernt, an der Stelle, wo die Strecke den Klosterbuschweg überquert und in eine lang gezogenen Kurve übergeht – und starrten gebannt dem Güterzug entgegen. Dann lief Benjamin alleine los, überquerte das stadtauswärts führende Gleis knapp vor diesem Zug – und wurde in der nächsten Sekunde von einem mit Tempo 160 heranrasenden Interregio erfasst. Der Spandauer Junge war sofort tot.

Die kleine Schwester flüchtete verängstigt vom Bahndamm in das nahe gelegene Haus ihrer Eltern; mit ihrem Vater kehrte sie später an die Unglücksstelle zwischen Staaken und Spandau zurück. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Polizei schon aus den Aussagen des Lokführers des Interregios mit der Nummer 2545, dass auch ein kleineres Mädchen neben dem Gleis gestanden haben soll. Der Mann sagte aus, dass beide Kinder immer nur konzentriert in die eine Richtung geguckt haben, nie in seine. Es habe eindeutig wie eine Mutprobe gewirkt – „Schaffst du es vor dem Zug noch rüber?“. Andere Kinder seien nicht am Bahndamm gewesen. Der Interregio kam aus Münster in Westfalen und sollte Spandau um 18.05 Uhr erreichen. Um 18.06 geschah beim Kilometerstein 115,6 das Unglück, denn der Zug hatte einige Minuten Verspätung.

Die Polizei hat das Mädchen und den Lokführer des Güterzuges, der von Berlin nach Angermünde sollte, noch nicht befragt: Das eingeschüchterte Mädchen soll geschont werden und der Lokführer des Tankzuges, der ja seinen Kollegen entgegenkommen sah, steht unter Schock. Die Schnellstrecke wurde erst um 21.06 Uhr wieder frei gegeben. 19 Fern- und 14 Regionalzüge hatten Verspätungen, sechs Regionalzüge fielen ganz aus.

Die Strecke ist, wie fast alle in Berlin, nicht eingezäunt. „Zäune bieten nur eine trügerische Sicherheit“, sagte Bahnsprecher Andreas Fuhrmann. „Wer eine Mutprobe macht, klettert auch über Zäune.“ Bei der Bahn hieß es gestern, dass tödliche Unfälle durch Selbstmörder und Leichtsinnige, die sich quer über die Gleise oder unter geschlossenen Bahnschranken hindurch den Weg abkürzen wollen, weitaus häufiger sind. „Aber auch Unfälle mit spielenden Kindern gibt es immer mal wieder“, sagte Bahnsprecher Burkhard Ahlert. Einen Unfall durch eine Mutprobe habe es in Berlin noch nicht gegeben. „Kinder in dem Alter machen sich keine Gedanken“, sagte Ahlert, außerdem seien die modernen Züge auf modernen Gleisen sehr viel leiser als früher. „Und in Kurven hört man den Zug erst in letzter Sekunde“, warnt Bahnsprecher Burkhard Ahlert – dann ist es zu spät.

„In letzter Sekunde“ heißt deshalb auch ein Videofilm der Bahn, der von November an im Rahmen einer Informationskampagne von Bahn und Bundesgrenzschutz in Berliner und Brandenburger Schulen gezeigt werden soll. Der Schutzengel Charly überredet in diesem Film eine Gruppe „cooler Kids“ dazu, ihre gefährlichen Mutproben auf den Gleisen zu stoppen – Benjamin hatte keinen Schutzengel.

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